Rechte des Gemeinderats stärken: Versteckspiel der Verwaltung beenden

25. Januar 2017  Antrag, Gemeinderäte, Wohnen

PM und Antrag der Fraktion SÖS-Linke-PluS im Stuttgarter Gemeinderat:

„Das Versteckspiel der Verwaltung haben wir uns lange genug angeschaut, dem
muss jetzt ein Riegel vorgeschoben werden“, sagt Thomas Adler,
Fraktionsvorsitzender von SÖS LINKE PluS mit Blick auf die verpasste
Gelegenheit, das ehemalige Offizierskasino in städtischen Besitz zu
überführen. Mit einem Antrag verfolgt die Fraktionsgemeinschaft zwei Ziele
„einerseits werden wir von unserem Recht in Zukunft Gebrauch machen, dass
die Bürgermeister über Kaufangebote von Grundstücken und Gebäuden
informieren“, verdeutlicht Hannes Rockenbauch, Fraktionsvorsitzender von
SÖS LINKE PluS. Dazu habe man nach der Gemeindeordnung für
Baden-Württemberg das Recht, dieses könne man auf alle Angelegenheiten der
Gemeinde ausweiten, wenn nötig. „Es wird Zeit, dass der Gemeinderat zeitnah
und umfassend über wichtige Themen informiert wird“, verdeutlicht Thomas
Adler.
Offizierskasino: Chance verpasst, Konsequenzen ziehen
Das Beispiel des ehemaligen Offizierskasinos habe gezeigt, dass der
Gemeinderat keine Chance gehabt habe darüber zu befinden, ob das
Kulturdenkmal von der Stadt gekauft werden solle oder nicht. „Bürgermeister
Michael Föll hielt es nicht für nötig, den Gemeinderat zu informieren, dass
das Objekt der Stadt seit dem Jahr 2012 mindestens dreimal zu
Vorzugskonditionen angeboten worden ist. Unsere Fraktionsgemeinschaft
möchte, dass der Gemeinderat aber über alle Grundstücke und Gebäude, die
zum Verkauf stehen informiert wird“, kündigt Thomas Adler an und fügt hinzu
„es wird nicht bei dem Wunsch bleiben, wir haben das Recht auf
Informationen, das werden wir einfordern“.
Rechte des Gemeinderats stärken – Hauptsatzung ändern
Das zweite Ziel der Fraktionsgemeinschaft ist, die Zuständigkeiten bei den
Entscheidungen über An- und Verkauf von Grundstücken und Gebäuden zu
Gunsten des Gemeinderats und seiner beschließenden Ausschüsse zu
verschieben. „Bislang hat die Verwaltung geschaltet und gewaltet, in
Zukunft sollen die Gemeinderäte darüber entscheiden, ob die Stadt
Grundstücke und Gebäude kauft“, kündigt Hannes Rockenbauch an. „Das setzt
voraus, dass wir informiert werden. Wir werden dies in Zukunft einfordern,
dafür brauchen wir keine Satzungsänderung“, beschreibt Adler die
Herangehensweise der Fraktionsgemeinschaft. „Grundsätzlich sind wir der
Meinung, dass der Gemeinderat nicht nur besser informiert werden muss von
der Verwaltung, sondern auch mehr entscheiden soll“, erläutert Rockenbauch.
Gerade bei der Frage von An- und Verkauf von Grundstücken und Gebäuden
dürfe man sich mit blindem Vertrauen in die Verwaltung nicht zufrieden
geben.
Transparenz auch bei Verpachtung und Vermietung durch die Stadt
Auch beim Thema Vermietung durch die Stadt will die Fraktionsgemeinschaft
mehr Mitspracherecht des Gemeinderats. „Wir haben erfahren, dass die Stadt
eine Gewerbefläche für 1,28 Euro pro Quadratmeter und Monat vermietet“,
greift Thomas Adler einen pikanten Fall auf. Diese Preise seien skandalös
niedrig, hier müsse unbedingt Klarheit und Transparenz geschaffen werden.
Dem Vernehmen nach wurde der Pachtvertrag um 30 Jahre verlängert, die
Mieterhöhungen lägen im Centbereich. Auch hier sei es dringend geboten
Ross und Reiter zu nennen und auszuschließen, dass es Begünstigungen gebe,
so Adler weiter.

Text des Antrags:

Stärkung des Gemeinderats: Hauptsatzung ändern! Stadträte entscheiden
künftig über den An- und Verkauf von Gebäuden und Grundstücken.

Wir beantragen:
1. Die Verwaltung unterrichtet den zuständigen Ausschuss
(Verwaltungsausschuss oder den Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen)
unverzüglich über alle Grundstücke und Gebäude, welche

a) der Stadt zum Kauf angeboten werden

b) Die Stadt informiert den Gemeinderat laufend über Gebäude und
Grundstücke die zum Verkauf anstehen und auf welche die Stadt
ein Vorkaufsrecht geltend machen kann.

2. Die Verwaltung überarbeitet die Hauptsatzung der Landeshauptstadt
Stuttgart dahingehend, dass der Gemeinderat künftig zuständig ist für
alle Entscheidungen über Erwerb und Veräußerung und dingliche
Belastungen von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten. Somit
würde beispielsweise §18 Abs. 1 Nr. 7.1 der Hauptsatzung gestrichen.

3. Die Verwaltung überarbeitet die Geschäftsordnung des Gemeinderats
dahingehend, dass Wertgrenzen für Entscheidungen über Erwerb und
Veräußerung und dingliche Belastungen von Grundstücken und
grundstücksgleichen Rechten definiert werden, unterhalb derer der
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen zuständig und entscheidungsbefugt
ist.

Verfahrenshinweis

In § 34 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg heißt es:
„Auf Antrag einer Fraktion oder eines Sechstels der Gemeinderäte ist ein
Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung spätestens der übernächsten
Sitzung des Gemeinderats zu setzen“. Wir möchten von diesem Recht Gebrauch
machen und bitten um fristgerechte Umsetzung.

Begründung:

Mit diesem Antrag soll auf zwei Aspekte eingegangen werden. Zum einen
fordert die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS eine zeitnahe,
detaillierte Berichterstattung über anstehende Immobilien- und Grundstücks
An- und Verkäufe. Zum anderen halten wir es für erforderlich, dass die
bisherige Entscheidungsbefugnis über diesen Themenbereich in der
Hauptsatzung der Landeshauptstadt Stuttgart und der Geschäftsordnung des
Gemeinderats auf den Gemeinderat übertragen wird.

Anfang Dezember 2016 wurde bekannt, dass das denkmalgeschützte ehemalige
Offizierskasino der Stadt bereits mindestens dreimal zu Kauf angeboten
wurde. Über diese Angebote wurden weder Gemeinderat noch ein zuständiger
Ausschuss informiert. Kurzfristig war der Besitzer (der Bund) nicht bereit,
die Frist für das Bieterverfahren zu verlängern, wodurch der Stadt aller
Voraussicht nach entgehen wird, das Kulturdenkmal zu erwerben und zu
nutzen.

Akute Wohnungsnot, Raumknappheit bei Behörden und der Verwaltung, Bedarfe
an Liegenschaften für kulturelle und soziale Angebote (z.B. kommunales
Filmhaus) – all dies macht deutlich, dass die Stadt Räumlichkeiten dringend
benötigt. Die Entscheidung über den Ankauf von Grundstücken und Gebäuden
kann deshalb nicht exklusive Aufgabe der Verwaltung bleiben. Der
Gemeinderat und seine beschließenden Ausschüsse sollen hierüber informiert
werden und auch die Entscheidung darüber fällen, ob die Stadt ein Gebäude
und/oder Grundstück kaufen soll. Dieses Recht steht in der Gemeindeordnung
für Baden-Württemberg in § 24 Abs.3: „Eine Fraktion oder ein Sechstel der
Gemeinderäte kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer
Verwaltung verlangen, dass der Bürgermeister den Gemeinderat unterrichtet“.
In der Hauptsatzung der Stadt Stuttgart steht in § 3 Abs. 2: „Der
Gemeinderat ist außerdem für alle anderen Angelegenheiten zuständig, wenn
sie von erheblicher politischer, finanzieller oder sonstiger Bedeutung für
die Stadt sind, insbesondere Maßnahmen, welche die Haushaltswirtschaft über
das laufende Jahr hinaus in erheblichem Maße beeinflussen“. Die
Entscheidung, ob die Stadt Grundstücke und Gebäude kaufen soll ist von
erheblicher politischer Bedeutung, deshalb muss die Stadt den Gemeinderat
über die Möglichkeit des Erwerbs von Grundstücken und Gebäuden informieren.

Änderungen in der Hauptsatzung (Beispiele):

In der bestehenden Fassung der Hauptsatzung heißt es in § 3 Abs. 1 Nr.
24., der Gemeinderat sei zuständig für die Entscheidung über „Erwerb,
Veräußerung und dingliche Belastung von Grundstücken und
grundstücksgleichen Rechten mit Ausnahme der Ausübung von Vorkaufs- und
Wiederkaufsrechten (vgl. dazu § 18 Nr. 7.1) mit einem Wert im Einzelfall
von mehr als 1,6 Mio. € (…)“. Hier wird der Teil ab „mit Ausnahme der
Ausübung von Vorkaufs- und Wiederkaufsrechten (…)“ ersatzlos gestrichen.

In § 18 der Hauptsatzung steht: „Der Oberbürgermeister ist für die ihm
durch Gesetz übertragenen Aufgaben und für die Geschäfte der laufenden
Verwaltung zuständig (§ 44 Abs. 2 GemO, § 13 ZO). Darüber hinaus werden ihm
gemäß § 44 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GemO folgende Aufgaben zur dauernden
Erledigung übertragen, soweit es sich nicht bereits um Geschäfte der
laufenden Verwaltung handelt:“ und im gleichen Paragraphen unter 7.1
„Erwerb, Veräußerung und dingliche Belastung von Grundstücken,
grundstücksgleichen Rechten und Bauwerken bis zu einem Wert von 520 000 €
sowie Ausübung von vertraglichen und gesetzlichen Vorkaufs- und
Wiederkaufsrechten.“

Der Absatz 7.1 wird ersatzlos gestrichen, der §18 wird von der Verwaltung
dahingehend überarbeitet, dass der Erwerb oder die Veräußerung von
Grundstücken und/oder Liegenschaften nicht Aufgabe der laufenden Verwaltung
ist, sondern in die Entscheidungsbefugnis des Gemeinderats zurückgeführt
wird.


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