Haushaltsrede im Heilbronner Kreistag von Johannes Müllerschön

14. Dezember 2016  Haushaltsreden/-anträge, Kreistage

Haushaltsrede 2017 von Johannes Müllerschön, auf der Kreistagssitzung am 12.12.16 in
Offenau (es gilt das gesprochene Wort)
Liebe Gäste,
liebe Kreistagskolleginnen und -Kollegen,
sehr geehrter Herr Landrat,
Natürlich freue ich mich als Offenauer, wie Bürgermeister Folk, dass wir heute diese letzte
Kreistagssitzung in 2016 hier abhalten. Offenau ist für uns LINKE so quasi die Hauptstadt des
Sprengels nördlicher Landkreis. Nicht nur weil ich hier wohne, sondern auch weil wir hier als
LINKE bei den letzten Kreistagswahlen immerhin als drittstärkste Partei abgeschnitten haben.
Aus aktuellen politischen Gründen, könnte ich mir aber auch ganz spontan diese Sitzung im
Zabergäu zum Beispiel in Güglingen oder Brackenheim vorstellen, oder auch im nördlichen
Landkreis, zum Beispiel in Möckmühl. Ich denke wir sollten als Kreistagsgremium dorthin, wo
es brennt. Aussitzen und schweigen helfen bei Streitigkeiten ebenso wenig wie Populismus-
Vorwürfe und juristische Scheingefechte. Zeigt die Krankenhausdiskussion im südlichen und im
nördlichen Landkreis ebenso wie die Debatte um die Kreisumlage in Güglingen die große,
aktuelle Diskrepanz zwischen Volk und Politik? Was können wir tun, um diese Diskrepanz zu
überwinden? Schaffen wir das? Drei Fragen und auch ich habe keine alleinseligmachenden
Antworten. Ich komme darauf zurück, möchte aber davor das Thema Finanzen abarbeiten.
Vom Zeitpunkt der Haushaltseinbringung im Oktober bis jetzt ist einiges passiert. Sie Herr
Landrat, haben dort in der Haushaltsrede auf die wegen AUDI sinkende Steuerkraftsumme der
Gemeinden verwiesen. Wissen wir, zum Beispiel wie sich die Präsidentschaftswahl von Trump
in den USA auf die Steuerkraftsumme auswirkt? Übrigens nicht nur wegen AUDI, sondern auch
bei LIDL, die ja in den USA sehr viel vorhaben.
Doch nicht nur global, sondern auch im Lande gib es finanzielle Risiken und Chancen. Geheime
Nebenabsprachen und massive Eingriffe der neuen Landesregierung in die kommunalen
Finanzen führten zu Recht zu heftiger Gegenwehr der kommunalen Spitzenverbände.
Kommunen und Landkreise sind entscheidende Grundlage unserer Demokratie und unseres
sozialen Zusammenhalts. Wir Kommunalvertreter haben eine besondere Verantwortung und
Pflicht, die finanziellen Grundlagen für diese Aufgaben zu sichern. Deshalb möchten wir den
Verhandlungsführern von Gemeinde-, Städte- und Landkreistag herzlich für ihren hartnäckigen
Widerstand gegen weitere Kürzungen des Landes danken. Immerhin führte die Übereinkunft von
Gemeinde-, Städte- und Landkreistag mit der Landesregierung auch bei uns im Landkreis zu
einer Verbesserung der Einnahmeseiten, trotz sinkender Steuerkraft. Bis heute ist allerdings nicht
klar, ob die aktuellen Zugeständnisse der Landesregierung ihre geheime „Giftliste“ ungültig
machen oder ob diese weiterhin verfolgt wird.
Deshalb ist die Einnahmeseite auch im angeblich reichen Landkreis Heilbronn zukünftig Thema.
Das „angeblich“, meine Damen und Herren, bezieht sich dabei nicht auf den Durchschnitt, der ist
unbestritten hoch. Aber wie geht es den Armen, den nicht Reichen im Land, die ganz
automatisch, ob über die Mehrwertsteuer und/oder die Einkommenssteuer ihren Beitrag zum
Gemeinwesen abdrücken? Ich verweise da großzügig nicht auf das Haushaltsjahr 2017, sondern
auf das Bundestagswahljahr 2017 mit den Stichworten Steuergerechtigkeit, Erbschaftssteuer,
Vermögenssteuer und Transaktionssteuer. Auch die Reichen in der Region müssen wieder einen
höheren steuerlichen Beitrag zum Gemeinwesen berappen, ohne wird es nicht gehen. Ich betone
ausdrücklich Steuerbeitrag. Das ist das Geld, über deren Verwendung die demokratische
im Heilbronner Kreistag
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Gesellschaft entscheidet. Viele der Reichen spenden Geld, wohin sie wollen. Über deren
Verwendung darf kein Gemeinderat, kein Kreistag entscheiden, es entscheidet das Gutdünken
des Spenders.
Die neoliberalen Alternativen dazu sind Privatisierungen, bei Autobahnen, Krankenhäusern,
großen Schulen und anderen Infrastrukturprojekten. Kurzfristige Geldflüsse locken, die
Rechnung kommt später. Dort geht es dann um Gewinnmaximierung, Rendite,
Produktivitätssteigerung und um Kostenreduktion statt um Daseinsvorsorge. Das sagen wir als
LINKE ganz bewusst auch als kritischer Hinweis auf die neuen Bund – Länderregelungen, die
jetzt verdächtig schnell und intransparent durch den Bundestag gepuscht werden sollen.
Privatisierungen werden dadurch erleichtert, auch wenn das jetzt noch vertuscht und
verschwiegen wird.
Ein Wort noch an dieser Stelle in Richtung Hohenlohe, als Mitglied der
Regionalverbandsversammlung sei mir dies gestattet. Ich weiß nicht, wo Sie Herr Landrat Neth,
die Hoffnung hernehmen, es würde besser, wenn Sie ausgerechnet bei einer Aktiengesellschaft
das Management Know How dazuzukaufen, statt weiterhin mit der zumindest noch teilweise
kommunal gelenkten SLK Klinik GmbH zu koordinieren.
Ich frage mich was ist da falsch gelaufen Herr Piepenburg und Herr Dr. Jendges? Auch Sie
sollten mehr auf kommunale Kompetenz und Öffentlichkeit setzen, als auf
Unternehmensberatungsfirmen, die in Sachen Krankenhausprivatisierung für große
Klinikkonzerne konspirativ bundesweit auf Einkaufstour sind. Falls ich da auf dem Holzweg bin,
dann sagen Sie es mir und uns, ich höre Ihnen gerne zu.
Die beiden wichtigsten Aufgabenfelder, die uns als Landkreis in 2016 herausforderten, sind uns
Kommunalpolitikern von oben, von der Landes- und Bundespolitik aufgedrückt worden. Damit
meine ich, wir haben weder die Ursache für die großen Flüchtlingsbewegungen verursacht,
noch haben wir den politischen Wunsch in Gesetzesform gegossen und umgesetzt, kleine
Krankenhäuser in der Fläche zu schließen. Trotzdem oder gerade deshalb müssen wir vor Ort
zusammenrücken, die Ärmel hochkrempeln, anpacken, lösungsorientiert und solidarisch.
So wie bei der Versorgung von Menschen, die vor Krieg und Elend zu uns geflohen sind. Die
Kriege im Nahen Osten sind mit hilfesuchenden Menschen auch zu uns gekommen. Aber nicht
nur die Kriege, sondern auch unsere vielfältigen Waffenexporte von Hekler und Koch und
anderen holen uns ein, in Form von Opfern, die bei uns vor der Tür stehen. Da ist es unsere
Aufgabe vor Ort, sie würdig zu empfangen und ihnen eine Zuflucht zu bieten. Der Landkreis und
die Verwaltung hat hier im letzten Jahr Erhebliches geleistet. Dafür ausdrücklich unseren
herzlichen Dank auch als LINKE. Auch die dringend notwendige Aufstockung des Personals
wollen wir an dieser Stelle würdigen. Wir stehen hinter Ihnen, Frau Lang, wenn Sie unbefristet
einstellen, weil die Aufgaben auch unbefristet wachsen. Denn jetzt bedeutet das über die
unmittelbare Aufnahme, eben auch die Integration in unsere Gesellschaft mit Sprache,
Wohnungen und Arbeit.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Engagement vieler freiwilliger
HelferInnen in den Asylkreisen, die im Landkreis Heilbronn vor Ort entstanden sind. Ihre Arbeit
zu unterstützen, muss dem Landkreis und den Kommunen eine Pflicht sein, da ohne sie die
Aufnahme der Hilfesuchenden nicht möglich gewesen wäre und die Integration nicht gelingen
wird. Da stimmen wir Ihrer Haushaltsrede, Herr Piepenburg vom Oktober ausdrücklich zu.
Auch dem Stellenplan 2017 stimmen wir LINKE aus diesen Gründen ausdrücklich zu.
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Nächstes Thema: Krankenhausfinanzierung
Tatsache ist, dass arm und reich und damit die gesamte Gesellschaft auch im Landkreis
Heilbronn gewaltig auseinanderdriftet. Wir haben allein im Zabergäu zwar sechs sogenannte
Weltmarktführer, die teilweise rund um die Uhr an 7 Tagen produzieren, aber wir haben kein
Geld (oder keine mehrheitsfähige Idee), um eine ausreichende stationäre Krankenhausversorgung
vor Ort zu gewährleisten. Wir haben zwar jeden Tag neue Meldungen und Informationen (gute
und schlechte) zu Gesundheitsfragen, aber wir haben kein sachkundiges Gremium, das diese
Fakten im Sinne einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung auf Landkreisebene transparent
und öffentlich bündelt und nützliche Maßnahmen koordiniert und umsetzt. Der Aufsichtsrat der
SLK Kliniken kann dies schon aus rechtlichen Gründen nicht leisten. Vielleicht müssen wir dazu
die Kreisgesundheits AG aktivieren.
Sie erinnern sich? Dieses Gremium wurde bereits 2014 leider etwas selbstherrlich von der
Verwaltung an den Kreisräten und an der Öffentlichkeit vorbei installiert. Unserer Meinung nach
hat eine solche Kreisgesundheits AG eine zweite Chance verdient. Erfolgreich wird Sie nur sein,
wenn Sie klug besetzt wird und öffentlich und transparent arbeitet.
Wir erhoffen uns von einer solchen Kreisgesundheits AG mehr kommunalpolitische und
örtliche Kompetenz. Privatwirtschaftlich orientierte Berater und Dienstleiter wie die Econo
Medic Aktiengesellschaft und die auch für unsere SLK Kliniken tätige Unternehmensberatung
Oberender und deren zunehmenden Einfluss auf fast alle Kliniken in unserer Umgebung lehnen
wir ab. Wir brauchen im Gesundheitswesen nicht mehr „Wirtschaftlichkeit“ und Gewinnstreben,
sondern wir brauchen in unseren Krankenhäusern und vor Ort mehr Humanität und mehr
Menschlichkeit.
Deshalb will ich an dieser Stelle auch gleich für unsere beiden Anträge zur
Gemeinwohlökonomie werben. Gemeinwohlökonomie kann im Gesundheitswesen privatwirtschaftliches
Gewinninteresse zurückdrängen und kommunale Daseinsfürsorge in diesem
Bereich stärken. Wir wollen mit beiden Anträgen die im Kreistag begonnene Sachdiskussion um
die Zukunft der Krankenhausversorgung auf wissenschaftlichem und praktischem Niveau
transparent und öffentlich fortsetzen, um eine verbesserte medizinische Grundversorgung auch
für die Bevölkerung auf dem flachen Land, zu erreichen. Bitte unterstützen Sie uns dabei bei der
anschließenden Beschlussfassung.
Sehr geehrte Kreistagskolleginnen und -Kollegen,
damit sind wir bei unseren 10 Haushaltsanträgen. Keine Angst, ich werde Sie hier nicht
vorlesen, sondern gehe davon aus, dass Sie ihre Sitzungsvorlagen studiert haben. Natürlich bitten
wir um getrennte Abstimmung der 10 Anträge, aber ich will die 10 Anträge zu sechs Themen
bündeln. Gerne begründe ich sie bei Bedarf noch näher. Die Anträge sind für uns quasi
vorberaten, da Sie alle aus der Arbeit im Kreistag und in den Ausschüssen heraus erarbeitet
wurden, oft mit Beteiligung von engagierten Menschen in der Zivilgesellschaft und in
verschiedenen Initiativen und BI´s. Dafür ein herzliches Dankeschön für die Unterstützung.
Die beiden Anträge (1+2) zur Gemeinwohlökonomie im Gesundheitswesen hab ich schon
erläutert
Die beiden Anträge Wohnungsamt (3) und altes Plattenwaldkrankenhaus (4) zu Verbesserungen
beim Thema Schaffung und Vermittlung von bezahlbaren Mietwohnungen. Hier sehen wir die
Chance, in Zusammenarbeit mit der GEWO schnellstmöglich als Landkreis über 86 Wohnungen
ein Belegungsrecht zu erhalten. Wenn der Landkreis die 50 Wohnungen nicht mehr als
Personalwohnungen braucht, dann könnten wir diesen Pool doch nutzen, für die Unterbringung
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von Menschen die Bedarf haben, unabhängig von ihrem Status. Gerade kleinere Kommunen im
Landkreis könnten doch bei der Anschluss-Unterbringung gut Unterstützung und Koordination
vom Landratsamt, oder von der GEWO gebrauchen.
Dazu 36 neue Wohnungen nach der Modul Bauweise, das wäre doch ein solider Start. Ok ein
klassisches „Wohnungsamt“ wäre diese halbe Planstelle noch nicht. Aber es wäre ein Anfang
und ein wichtiges Signal für alle Wohnungssuchenden. Jawohl, der Landkreis tut was.
Flüchtlinge nehmen uns keine Wohnungen weg, sondern durch die neue Lage werden Aufgaben
angepackt, die jahrelang stilllagen. Mein Fraktionskollege Florian Vollert wird dazu später, im
TOP 5.Veräußerung von Grundvermögen Am Plattenwald, Gemarkung Friedrichshall, noch
einiges vortragen.
Die beiden Anträge (5+6) zu Verbesserungen beim HNV und Vermeidung der
Tariferhöhungen im Nahverkehr. Danke an die Verwaltung, sie hat zeitnah unsere Anfrage von
der Oktober Kreistagssitzung nach den Tariferhöhungen beim HNV in den letzten 12 Jahren
beantwortet. Jetzt halten Sie sich fest, die sogenannte Tarifanpassung betrug in 12 Jahren 41,38
Prozent, das sind im Durchschnitt jedes Jahr 3,2%. Wir sind der Meinung jetzt reicht´s! Knüpfen
wir an die Tarifanpassungen einen Qualitätsanspruch beim HNV, bei der AVG und bei der Bahn.
Antrag 5 zeigt, wie es geht.
Zwei Anträge (7+8) zu Verbesserungen beim Radwegekonzept im Landkreis. Danke an Herrn
Gleichauf, der in einem Artikel das Anliegen nach Freischaltung des RADar Meldesystems noch
einmal publik gemacht hat. Die 150 000 Euro für ein Gutachten, das dann wie viele andere für
Jahre in den Akten verschwindet, würde ich lieber investieren in den schon seit langem von
Offenau geplanten Radweg am Neckar entlang nach Gundelsheim. Ich bin mir sicher, dass hier
im Saal noch weitere Spezialisten sitzen, die entsprechende Investitionsvorschläge haben.
Den Antrag (9) zur Verschiebung des Brückenbaus in Gundelsheim. Der Antrag spricht für sich.
Den Antrag (10) zum Schutz von Deponie Mitarbeitern und Umgebung vor GKN Bauschutt.
Danke an die Anti – AKW Initiativen und an die Heilbronner Stimme, für die kontinuierliche
Berichterstattung zu diesem, von der Landkreisverwaltung so ungeliebten Thema.
So liebe Kolleginnen und Kollegen, Danke fürs Zuhören und Danke schon im Voraus für die
Unterstützung unserer Anträge. Den Anträge der ödp und die in den Ausschüssen abgelehnten
Anträge der anderen Organisationen und Verbände, werden wir zustimmen.
Alle Jahre wieder, schließe ich mich den vielen Danksagungen meiner Vorredner an und
wünsche frohe Weihnachten und ein friedlicheres und sozial gerechteres Jahr 2017.


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