Rede des Stadtrats Dr. Emanuel Peter im Gemeinderat von Rottenburg:
Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gilt das gesprochene Wort.
Die Corona-Pandemie fordert uns zu einer großen Veränderung in Richtung eines sozial-ökologischen Umbaus unserer Gesellschaft heraus. „Global denken – lokal handeln“ gilt in Zeiten von Corona erst recht. Die Pandemie macht allen deutlich, dass der Raubbau des Menschen an der Natur, das Niederbrennen von Regenwäldern für die Produktion von Rindfleisch, Soja und Palmöl Mensch und Natur immer näher zusammenbringt und ein entscheidender Nährboden für die Ausbreitung von Viren ist. Die Antwort darauf kann nicht heißen: Pandemie bekämpfen ODER Klimaschutzziele einhalten, sondern Pandemie-Bekämpfung GERADE DURCH die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. So treten wir auf lokaler Ebene für den Schutz von Natur, Luft- und Wasserressourcen anstelle von weiterer Flächenversiegelung ein. Vielen ist in den vergangenen Monaten bewusst geworden, wie wichtig die Bewegung im Rammert, auf dem Flugfeld Baisingen und in anderen Naturgebieten für ihre körperliche und seelische Gesundheit ist. Dies hat auch der BUND in seiner Stellungnahme zum Oberen Feld betont: Bodenschutz ist Klimaschutz.
Die Pandemie zeigt uns die jahrelangen Fehler der Regierungen: Die Schwarze Null und die Schuldenbremse waren Schönwetterbegriffe in den vergangenen zehn Jahren der Hochkonjunktur. Jetzt erweisen sie sich als untauglich zur Krisenbewältigung. Entscheidend wird sein, die Kommunen als Grundbaustein unserer demokratischen Ordnung und als Motor der wirtschaftlichen Erholung zu behandeln. Solange die Pandemie Einschränkungen erfordert, müssen Bund und Land selbstverständlich die Ausfälle der Gewerbesteuer an die Kommunen kompensieren. Die jahrelang versäumten Investitionen in die Infrastruktur und in die Daseinsvorsorge sind entscheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und müssen finanziell erhöht statt geschwächt werden. Die Ausgangsbeschränkungen und Besuchsverbote während der Pandemie haben uns gezeigt, wie wichtig persönliche Kontakte und das gesellige Miteinander für unseren Zusammenhalt sind. Dafür braucht es nicht nur Jugendhäuser, sondern auch einen Bürgertreff in unserem größten Teilort Ergenzingen. Deshalb stellen wir den Antrag auf eine Planungsrate.
Insgesamt sind Kommunen genauso systemrelevant wie die Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeheimen und pädagogische Fachkräfte in Kitas und Schulen. Deshalb dürfen der soziale Wohnungsbau, die Nachholinvestitionen sowie die Personalausbildung und -verstärkung nicht angetastet werden. Wir wollen vorausschauend den erhöhten Bedarf von Erzieherinnen in der Kinderbetreuung durch die Schaffung von sechs PIA-Stellen sichern. Neubaugebiete und Bevölkerungszuwachs erfordern eine zukunftsorientierte Personalplanung.
Die hohen Leiharbeiterkosten der Hospitalstiftung verweisen auf gravierende Fehler in der Bundespolitik. Wenn sich Sozialminister Lucha auf Landesebene weigert, Investitionskosten für den Umbau und Ausbau der notwendigen Pflegekapazitäten bereitzustellen, da ein Viertel der Pflegeheime zumachen muss, ist das wirklichkeitsfremd. So wird Pflege von den Renditewünschen privater Betreiber abhängig gemacht. Luchas Verhalten macht Pflege für immer mehr ältere Menschen unbezahlbar. Die Landesregierung und die Stadt dürfen sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen und das Problem auf die Hospitalstiftung und ihre Beschäftigten abwälzen.
Wir freuen uns, dass unser Vorschlag, die Sporthalle im Kreuzerfeld aus dem allgemeinen Hallenkonzept der Teilorte herauszunehmen, akzeptiert worden ist. So kann der Sporthallenbau mithilfe von Fördermitteln jetzt sogar vorgezogen werden. Trotz Hochkonjunktur machten die fehlenden Investitionen in den Schulbau immer noch den Löwenanteil am gesamten Investitionsstau im Ländle aus. Statt eines Landespavillons in Dubai für 15 Millionen Euro müssen jetzt alle Schulprojekte verwirklicht werden und dabei die Barrierefreiheit beachtet werden. Das gilt insbesondere für die Barrierefreiheit im Altbau des Eugen-Bolz-Gymnasiums, die jetzt beseitigt werden soll.
Abschließend einige Anmerkungen zur moderaten Anhebung der Hebesätze für die Grundsteuer und die Gewerbesteuer. Kürzlich hat Bürgermeister Bednarz erklärt, dass die Gewerbesteuer auf der Basis der Lohnsumme eines Betriebs berechnet wird. Daraus folgt: je größer der Anteil der Niedriglöhner vor allem in Betrieben mit mehreren Betriebsstellen ist, desto geringer unsere Gewerbesteuer. Niedriglohn verursacht einen doppelten Schaden, einmal für die Beschäftigten, zum zweiten für uns als Kommune. Ein Drittel der Beschäftigten in Rottenburg, 3.800 Personen, gehören bei uns zum Niedriglohnbereich. Bei neuen Betrieben müssen wir nicht nur auf 50 Beschäftigte pro Hektar schauen. Im Sinne unserer Nachhaltigkeitskriterien müssen Betriebe eine anständige Bezahlung zusichern.
Zweitens schadet es den Kommunen, wenn die Landesregierung laut Landesrechnungshof unbelegte Haushaltsreste in Höhe von 5,6 Milliarden Euro hortet. Damit hätte sie gebührenfreie Kitas landesweit mehrfach finanzieren können. Grün-Schwarz wälzt immer mehr Aufgaben auf die Kommunen ab, ohne dafür Gelder bereitzustellen, besonders bei der Digitalisierung der Schulen. Noch immer ist nicht geklärt, wer für die langfristigen Kosten für neue Geräte, für Support und externe Fachleute aufkommt, denn die Landesregierung zahlt nur einmalig 20 Prozent Anschubfinanzierung. Und beim Breitbandausbau werden den Kommunen sogar die Pachteinnahmen von der Landesförderung abgezogen.
Entscheidend für die kleinen Stellschrauben unserer Stadt bei Grund- und Gewerbesteuer wird allerdings sein, ob die großen Stellschrauben auf Bundesebene an die aktuelle Situation angepasst werden. Seit der Unternehmenssteuerreform 2008 hat Deutschland laut Stiftung Marktwirtschaft die niedrigsten Steuersätze für Betriebe aller großen Industriestaaten. Die Vermögen der Superreichen sind dadurch auch in der Krise weiter gewachsen: 119 deutsche Milliardäre haben innerhalb eines Jahres ihr Vermögen ohne eigene Leistung um 94 Milliarden Euro erhöht. Eine einmalige Vermögensabgabe für 0,7 Prozent der Bevölkerung mit einem Freibetrag von fünf Millionen Euro auf Betriebsvermögen ruiniert keinen Mittelstand, aber sie bringt unserem Staatshaushalt mindestens 310 Milliarden Euro und macht die Briefkästen in den Steueroasen leerer. Alle anderen Wege zum Schuldenabbau gehen auf Kosten der Beschäftigten und vor allem der jungen Generation, die bis 2049 die aktuellen Kredite im Landeshaushalt tilgen soll. Das lehnen wir ab, weil es unsere Gesellschaft sozial und politisch noch mehr spaltet und unseren Kommunen schadet. In diesem Sinn danken wir allen Beschäftigten der Hospitalstiftung, der Stadtwerke und der Verwaltung für ihr großes Engagement und wünschen uns eine gute Beratung des Haushalts 2021!