Haushaltsrede aus Kirchheim

21. Oktober 2021  Allgemein, Haushaltsreden/-anträge

Gemeinderat Kirchheim unter Teck – Haushaltsrede 2022/2023 – gehalten von Heinrich Brinker:
Sehr geehrte Herr Oberbürgermeister Dr. Bader,
Herr Bürgermeister Riemer,
Sehr geehrte Damen und Herrn,
Kolleginnen und Kollegen,


zunächst möchten Frau Dahner und ich uns beim Team der
Finanzabteilung für die umfangreiche Vorbereitung des
Haushaltsentwurfs und Beratung bedanken.


Der Klimawandel erfordert eine radikale Umkehr in vielen Bereichen
unserer Gesellschaft. Gleichzeitig sind wir mitten in der Phase der
digitalen Umwälzungen und für immer mehr Menschen sind soziale
Gerechtigkeit und Chancengleichheit leider nur noch ein Traum. Die
Bundesregierung und die Landesregierung unterstützen die Kommunen
bei diesen umfangreichen Umwälzungen nur ungenügend.

Es wird zwar
vollmundig eine Klimaneutralität bis 2045 verkündet, aber mit der
Umsetzung lässt man die Kommunen allein. So kann ein notwendiger
Paradigmenwechsel nicht auf den Weg gebracht werden.
Die Vermeidung von Flächenverbrauch ist ein Kernthema des Klima- und
Umweltschutzes. Viele reden von Klimaschutz, aber faktisch soll er aber
immer nur in der Zukunft stattfinden.
Warum werden heute munter Flächen verbraucht und damit den
künftigen Generationen vorenthalten? Warum soll der Stopp der
Flächenversiegelung künftig einfacher sein als heute? Die Menschen in
Dettingen haben deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sind, ihre
Umwelt zugunsten von Industrieansiedlungen zu opfern.
Bei der Gewerbeansiedlung muss Flächenrecycling selbstverständlich
werden. Dafür beantragen wir mindestens eine Stelle zum Aufbau eines
Flächenmanagements, um die effiziente Nutzung vorhandener Flächen
zu fördern. Die geringen verfügbaren Flächen dürfen nicht an externe
große Unternehmen verkauft werden. Wir müssen sie für den Bedarf der
lokalen Unternehmen reservieren. Das Gewerbegebiet Bohnau-Süd ist
eine wichtige Zukunftsfrage Kirchheims. Deshalb schlagen wir eine
Bürgerbefragung zur weiteren Planung vor.
Heinrich Brinker (h.brinker@kirchheim-teck.de) Ute Dahner (u.dahner@kirchheim-
teck.de)
Seite 1Gemeinderat Kirchheim unter Teck
Haushaltsrede 2022/2023
Wir freuen uns, dass die öffentliche Wohnungsbaugesellschaft auch in
Kirchheim Realität wird. Die Situation in Kirchheim zeigt eindeutig: der
Markt stellt keine bezahlbaren Wohnungen zur Verfügung. Deshalb wird
es den sozialverträglichen Wohnungsbau nur unter öffentlicher Regie
geben. Dafür müssen die Flächen in der öffentlichen Hand bleiben und
nur noch in Erbpacht vergeben werden. Kirchheim muss auch in 20, 30,
40 Jahren noch handlungsfähig ein.
Um mehr bezahlbarem Wohnraum zu schaffen, fordern wir eine
Erhöhung der Sozialbauquote bei Neubauten auf 50 Prozent. Ergänzend
muss ein Wohnungsmanagement aufgebaut werden, das den Tausch
von Wohnungen aktiv fördert. Übrigens könnten wir die Baupreise
deutlich senken, wenn nicht immer Tiefgaragen gebaut würden. Wir
wollen Menschen, die auf ihr Auto verzichten, bevorzugen. Da wurde im
Steingauquartier eine große Chance vertan, denn zentraler kann man
kaum wohnen.
Auch der Leerstand in Kirchheim ist ein Skandal. Ca. 500 Wohnungen
stehen nach wie vor leer. Hierfür regen wir erneut an, in Kirchheim im
Jahr 2022 endlich ein Zweckentfremdungsverbot zu etablieren.
Für eine Verkehrswende in Kirchheim fehlt es nach wie am politischen
Willen, den Autoverkehr zu reduzieren und den öffentlichen Nahverkehr,
sowie den Fahrrad- und Fußgängerverkehr zu priorisieren. In Kirchheim
werden immer noch ca. 60% der Wege mit dem Auto zurückgelegt. Beim
Fahrrad stagnieren wir bei 15%.
Es ist trotz vieler Ankündigungen immer noch nicht gelungen, ein
Mobilitätskonzept zu initiieren, das alle Aspekte der Mobilität -vom Auto
bis zum Fußverkehr- berücksichtigt. Das bereits angekündigte
Mobilitätskonzept muss endlich in den Haushalt einfließen und Realität
werden. Ein isoliertes Radkonzept reicht nicht.
Alle Konzepte nützen aber nichts, wenn in der Stadtverwaltung niemand
ist, der die Umsetzung treibt und begleitet. Wir brauchen eine bzw. einen
Heinrich Brinker (h.brinker@kirchheim-teck.de) Ute Dahner (u.dahner@kirchheim-
teck.de)
Seite 2Gemeinderat Kirchheim unter Teck
Haushaltsrede 2022/2023
Mobilitätsmanager analog zu unserer Klimaschutzmanagerin, die ja den
Bereich Mobilität bisher nicht abdeckt.
Wir fordern einen Verkehrsbericht aufgeteilt nach Auto-, Bus-, Rad- und
Fußverkehr. Es darf nicht sein, dass weiterhin der größte Teil der
Investitionen dem Autoverkehr zufließt. Für Fahrradstellplätze sollen pro
Jahr nur 15.000 Euro ausgegeben werden. Da kann es nur ein Bügel
sein. Für einen Abstellplatz mit Dach reicht es nicht.
Attraktiver öffentlicher Verkehr heißt: das Warten an Haltestellen ist
angenehm. Zumindest sollte niemand in Wind und Regen stehen
müssen. Wir möchten, dass die Wartehäuschen bepflanzt werden. Das
verbessert nicht nur das Klima im Warteraum, sondern nützt auch dem
Erhalt der Artenvielfalt. Wir beantragen, dass diese Idee aus Holland
auch in Kirchheim ausprobiert wird.
Die Nutzung von Bus und Bahn muss sich lohnen. Wir schlagen einen
Pilotversuch vor: Allen Menschen in Kirchheim, die auf den Erwerb des
Fahrzeugführerscheins verzichten oder diesen abgeben, ein kostenloses
Stadtticket zu gewähren. Eine begleitende wissenschaftliche Studie
könnte dazu wertvolle Erkenntnisse liefern.
Oft sind es die einfachen Dinge, die den Unterschied machen: eine frei
zugängliche und saubere Toilette am Bahnhof könnte ein Anfang sein.
Als Anrainer an der A8 sind wir dem Lärm des schnellen Autoverkehrs
ausgesetzt. Bisher wurden wir mit rechnerischen Lärmmessung
abgespeist, die keinen Handlungsbedarf erzwangen. Nachdem FDP,
SPD und Grüne nicht die Absicht haben, ein Tempolimit einzuführen,
müssen wir vor Ort handeln. Es ist Zeit, dass die Stadt mit eigenen
Messungen nachweist, dass die Lärmbelastung nicht akzeptabel ist und
eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf unserem Autobahnabschnitt
zwingend ist.
Auch im Bereich Kitas und Schulen hat Kirchheim seine Möglichkeiten
als attraktive Stadt nicht rechtzeitig genutzt. Der steigende Bedarf an
Erzieher*innen ist lange bekannt. Aber: attraktive Arbeitsbedingungen
Heinrich Brinker (h.brinker@kirchheim-teck.de) Ute Dahner (u.dahner@kirchheim-
teck.de)
Seite 3Gemeinderat Kirchheim unter Teck
Haushaltsrede 2022/2023
und weitere Erleichterungen wurden nicht geschaffen.
Als einen Anreiz könnten wir uns vorstellen, Erzieher*innen eine
Wohnung zur Verfügung zu stellen. Vielleicht lohnt es sich, einfach mit
den betroffenen Einrichtungen über weitere Anreize zu sprechen.
Wir meinen: Voraussetzung für eine verantwortungsvolle
Zukunftsvorsorge ist, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich an der
Meinungsbildung beteiligen und mitentscheiden können. Warum sollen
die Bürger nicht über das Gewerbegebiet Bohnau-Süd abstimmen?
Warum muss erst eine Bürgerinitiative einen Bürgerentscheid
erzwingen?
Auch die Übertragung der öffentlichen Gemeinderatssitzungen per
Streaming kann für die Bürger mehr Teilhabe und Transparenz schaffen.
Als Linke in Kirchheim sind wir der Überzeugung; Die Zeit der
Absichtserklärungen ist vorbei. Die Maßnahmen für eine soziale und
nachhaltige Zukunft dulden keinen Aufschub. Es muss jetzt konsequent
im Interesse aller Kirchheimerinnen und Kirchheimer gehandelt werden.
Nutzen wir die wenige Zeit, die uns dafür bleibt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Heinrich Brinker (h.brinker@kirchheim-teck.de) Ute Dahner (u.dahner@kirchheim-
teck.de)