Haushaltsrede für den Haushalt 2021 (DIE LINKE)

Rede des Stadtrats Dr. Emanuel Peter im Gemeinderat von Rottenburg:

Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gilt das gesprochene Wort.

Die Corona-Pandemie fordert uns zu einer großen Veränderung in Richtung eines so­zial-ökologischen Umbaus unserer Gesellschaft heraus. „Global denken – lokal handeln“ gilt in Zeiten von Corona erst recht. Die Pandemie macht allen deut­lich, dass der Raubbau des Menschen an der Natur, das Niederbren­nen von Regenwäldern für die Pro­duktion von Rindfleisch, Soja und Palmöl Mensch und Natur im­mer näher zusammenbringt und ein ent­scheidender Nährboden für die Ausbreitung von Viren ist. Die Antwort darauf kann nicht heißen: Pandemie bekämpfen ODER Klimaschutzziele einhalten, sondern Pandemie-Bekämp­fung GERADE DURCH die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. So tre­ten wir auf lokaler Ebene für den Schutz von Natur, Luft- und Wasserressourcen anstelle von weiterer Flächenversie­gelung ein. Vielen ist in den vergangenen Monaten bewusst geworden, wie wichtig die Be­wegung im Rammert, auf dem Flug­feld Baisingen und in anderen Naturgebieten für ihre körperliche und seelische Gesundheit ist. Dies hat auch der BUND in seiner Stellungnahme zum Oberen Feld betont: Bodenschutz ist Klimaschutz.

Die Pandemie zeigt uns die jahrelangen Fehler der Regierungen: Die Schwarze Null und die Schulden­bremse waren Schönwetterbegriffe in den vergangenen zehn Jahren der Hochkonjunktur. Jetzt erwei­sen sie sich als untauglich zur Krisenbewältigung. Entscheidend wird sein, die Kommunen als Grundbaustein unserer demokratischen Ordnung und als Motor der wirtschaftlichen Erholung zu behandeln. Solange die Pandemie Einschränkungen er­fordert, müssen Bund und Land selbstverständlich die Ausfälle der Gewer­besteuer an die Kommunen kompensieren. Die jahrelang versäumten In­vestitionen in die Infrastruktur und in die Daseinsvorsorge sind ent­scheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und müssen fi­nanziell erhöht statt geschwächt wer­den. Die Ausgangsbeschränkungen und Besuchsverbote während der Pandemie haben uns gezeigt, wie wichtig persönliche Kontakte und das gesellige Miteinander für unse­ren Zusammenhalt sind. Dafür braucht es nicht nur Jugend­häuser, sondern auch einen Bürgertreff in un­serem größten Teilort Er­genzingen. Deshalb stellen wir den Antrag auf eine Planungsrate.

Insgesamt sind Kommunen genauso systemrelevant wie die Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflege­heimen und pädagogische Fachkräfte in Kitas und Schulen. Deshalb dürfen der soziale Wohnungsbau, die Nachholinvesti­tionen sowie die Personalausbildung und -verstärkung nicht angetastet werden. Wir wollen vorausschauend den erhöhten Bedarf von Erzieherinnen in der Kinderbetreuung durch die Schaf­fung von sechs PIA-Stel­len sichern. Neubaugebiete und Bevölkerungs­zuwachs erfordern eine zukunfts­orientierte Personalplanung.

Die hohen Leiharbeiterkosten der Hospitalstiftung verweisen auf gravierende Fehler in der Bundespoli­tik. Wenn sich Sozialminister Lucha auf Landesebene weigert, Investitionskosten für den Umbau und  Ausbau der  notwendigen Pflegekapazitäten bereitzustellen, da ein Viertel der Pflegeheime zu­machen muss, ist das wirklichkeitsfremd. So wird Pflege von den Renditewünschen privater Betreiber abhängig gemacht. Luchas Verhalten macht Pflege für immer mehr ältere Menschen un­bezahlbar. Die Landesregie­rung und die Stadt dürfen sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen und das Problem auf die Hos­pitalstiftung und ihre Be­schäftigten abwälzen.

Wir freuen uns, dass unser Vorschlag, die Sporthalle im Kreuzerfeld aus dem allgemeinen Hallenkonzept der Teilorte herauszunehmen, akzeptiert worden ist. So kann der Sporthallenbau mithilfe von Fördermit­teln jetzt sogar vorgezogen werden. Trotz Hochkonjunktur machten die fehlenden Investitionen in den Schul­bau immer noch den Löwenanteil am gesamten Investitionsstau im Ländle aus. Statt eines Landes­pavillons in Dubai für 15 Millionen Euro müssen jetzt alle Schulprojekte verwirklicht werden und da­bei die Barrie­refreiheit beachtet werden. Das gilt insbesondere für die Barrierefreiheit im Altbau des Eugen-Bolz-Gymnasi­ums, die jetzt beseitigt werden soll.

Abschließend einige Anmerkungen zur moderaten Anhebung der Hebesätze für die Grundsteuer und die Gewerbesteuer. Kürzlich hat Bürgermeister Bednarz erklärt, dass die Gewerbesteuer auf der Basis der Lohnsum­me eines Betriebs berechnet wird. Daraus folgt: je größer der Anteil der Niedriglöhner vor al­lem in Be­trieben mit mehreren Betriebsstellen ist, desto geringer unsere Gewerbesteuer. Niedriglohn ver­ursacht ei­nen doppel­ten Schaden, einmal für die Beschäftigten, zum zweiten für uns als Kommune. Ein Drit­tel der Beschäf­tigten in Rottenburg, 3.800 Personen, gehören bei uns  zum Niedriglohnbereich. Bei neuen Be­trieben müssen wir nicht nur auf 50 Beschäftigte pro Hektar schauen. Im Sinne unserer Nach­haltigkeitskriterien müssen Betriebe eine anständige Bezahlung zusichern. 

Zweitens schadet es den Kommunen, wenn die Landesregierung laut Landesrechnungshof unbelegte Haushaltsreste in Höhe von 5,6 Milliarden Euro hortet. Damit hätte sie gebührenfreie Kitas landesweit mehrfach finanzieren können. Grün-Schwarz wälzt immer mehr Aufgaben auf die Kommunen ab, ohne dafür Gel­der bereitzustellen, besonders bei der Digitalisierung der Schulen. Noch immer ist nicht geklärt, wer für die langfristigen Kosten für neue Geräte, für Support und externe Fachleute aufkommt, denn die Landes­regierung zahlt nur einmalig 20 Prozent Anschubfinanzierung. Und beim Breitbandausbau werden den Kom­munen sogar die Pachteinnahmen von der Landesförderung abgezogen.

Entscheidend für die kleinen Stellschrauben unserer Stadt bei Grund- und Gewerbesteuer wird allerdings sein, ob die großen Stellschrauben auf Bundesebene an die aktuelle Situation angepasst werden. Seit der Unternehmenssteuerreform 2008 hat Deutschland laut Stiftung Marktwirtschaft die niedrigsten Steuersät­ze für Betriebe aller großen Industriestaaten. Die Vermögen der Superreichen sind dadurch auch in der Krise weiter gewachsen: 119 deutsche Milliardäre haben innerhalb eines Jahres ihr Vermögen ohne  eige­ne Leistung um 94 Milliarden Euro erhöht. Eine einmalige Vermögensabgabe für 0,7 Prozent der Bevölk­erung mit einem Freibetrag von fünf Millionen Euro auf Betriebsvermögen ruiniert keinen Mittel­stand, aber sie bringt unserem Staatshaushalt mindestens 310 Milliarden Euro und macht die Briefkästen in den Steueroasen leerer. Alle anderen Wege zum Schuldenabbau gehen auf Kosten der Beschäftigten und vor allem der jungen Generation, die bis 2049 die aktuellen Kredite im Landeshaushalt tilgen soll. Das leh­nen wir ab, weil es unsere Gesell­schaft sozial und politisch noch mehr spaltet und unseren Kommunen schadet. In diesem Sinn danken wir allen Beschäftigten der Hospitalstiftung, der Stadtwerke und der Ver­waltung für ihr großes Engagement und  wünschen uns eine gute Beratung des Haushalts 2021!