Haushaltsrede Ludwigsburg

Stadtrat Jürgen Müller im Ludwigsburger Gemeinderat:

Sehr geehrter Herr Obermeister, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Herren Bürgermeister, werte Gemeinderatskolleginnen und Gemeinderatskollegen und nicht zuletzt sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf Zuschauerplätzen! Das zu Ende gehende Jahr hat gezeigt, wie verletzlich unsere Gesellschaft ist. So hat ein Virus unser bekanntes Miteinander und Gewohnheiten erheblich gestört und durcheinander gewirbelt. Selbstverständliches, auf die wir uns verlassen haben, zeigt sich auch einmal als nicht mehr stabiles Fundament unseres Zusammenlebens. Wir reden heute nun über die finanziellen Auswirkungen dieser Krise auf die Stadt Ludwigsburg. Die Planung des kommenden Jahres stellten für uns eine Herausforderung dar. Zur Bewältigung der Krise wünscht sich Herr Oberbürgermeister Knecht den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft in diesen schwierigen Zeiten. Wie kann dieser Zusammenhalt erreicht werden, wenn Corona die Bürger so verschieden trifft?

Einige konnten sich ungestört ins Home-Office zurückziehen, andere waren nicht auf Einkommen aus eigener Arbeit angewiesen. Dies habe von der Krise wenig mitbekommen, außer dass vielleicht das kulturelle Angebot sehr stark reduziert war. Finanziell merken sie davon auf jeden Fall kaum etwas. Andere hatten durchaus finanzielle Verluste, weil sie in die Kurzarbeit geschickt wurden oder sogar arbeitslos wurden. Andere mussten bis zur Erschöpfung zusätzlich arbeiten oder waren einer hohen Gefahr ausgesetzt sich anzustecken. Soziale Gerechtigkeit Wir müssen uns die Frage stellen, wer trägt uns durch die Corona-Pandemie, wen trifft diese Krise am meisten und wer ist in der Lage mehr Belastung auszuhalten. Vielleicht bekommt Gerechtigkeit dann ein anderes Gesicht. Wir sollten unsere Ziele für die Zukunft der Stadt vor Augen halten. Was wollen wir in die Nach-Corona-Zeit retten? Unser Gedanke: Ludwigsburg muss eine soziale Stadt bleiben! Jürgen Müller 2 20.11.2019 Im Gemeinderat Ludwigsburg Schon vor der Corona-Pandemie war die gesellschaftliche Teilhabe für einige Menschen in Gefahr. Die immens hohen Mietpreise bedeuten, dass „sich arm Wohnen“ reicht bis in die Mitte unserer Gesellschaft. Betroffen waren und sind hier vor allem ältere Menschen mit kleinen Renten, Familien, Kindern und Menschen in den sozialen Berufen: die Krankenpflegerin, der Erzieher, der Verkäufer, der Polizist. Sie wurden und werden aus unserer Stadt verdrängt. Es sind genau die Menschen, die uns bisher durch die Pandemie gebracht haben. Diese Menschen mit vergleichsweise geringen Einkommen haben eine riesige Leistung für die Gemeinschaft erbracht. Es wird so in der Pandemie-Situation deutlich: Sie sind es, die das bisher scheinbar Selbstverständliche wie ein funktionierendes Gesundheitssystem, Bildungswesen, etc. ermöglicht haben. Die Stadt hat in der Vergangenheit mit einigen Maßnahmen dagegen gehalten, um zu verhindern, dass es zu einer sozialen Spaltung kommt. Die relativ geringen Kita-Gebühren sind hier ein Beispiel. Die Kreditaufnahme für den Haushalt soll durch Gebührenerhöhungen auch im sozialen Bereich reduziert werden. Eine Erhöhung der Kitagebühren trifft die Familien mit geringen und mittleren Einkommen besonders stark. Die Menschen, die jetzt in unseren Krankenhäusern ranklotzen oder an der Supermarktkasse oder auf Streife arbeiten, sind diejenigen, die unserer Gesellschaft in der Corona-Pandemie am Laufen halten. Diese Menschen waren und sind von der Pandemie besonders belastet und Sie können unserer Meinung nach, nicht noch mehr belastet werden. Eine Erhöhung der Kitagebühren kommt für „Die Linke“ deswegen nicht in Frage. Die Kürzung an Förderprogrammen, die besonders Benachteiligten zu Gute kommen sollen, sind in diesem Jahr im Rahmen des Nachtragshaushalts um 10% gekürzt worden. Dies soll im nächsten Jahr fortgesetzt werden. Begründung: Es kann zu mindestens zu Beginn des nächsten Jahres nicht durchgeführt werden und damit entfallen auch die Ausgaben. Auch hier wird deutlich, dass die Pandemie die Gesellschaft spaltet, wenn die Programme nicht mehr durchgeführt werden können. Hier sollte der Ehrgeiz diese Förderprogramme umzusetzen, nicht durch haushälterische Überlegungen ausgebremst werden. Bevor wir im sozialen Bereich die Axt anlegen, durch Jürgen Müller 3 20.11.2019 Im Gemeinderat Ludwigsburg Kürzungen oder höhere Kita-Gebühren plädieren wir für höhere Schulden. Dazu werde ich am Ende noch Ausführungen machen. Zu den Kitas und Schulen allgemein: Viele sehen in der Digitalisierung im Unterrichtswesen eine große Zukunft. Die Digitalisierung kann aber nur eine Unterstützung sein, aber nicht die tragende Säule des Bildungswesens werden. Dies bedeutet insbesondere, dass wir auch in Zukunft in gute Gebäude für Kitas und Schule investieren, weil für uns auch in Zukunft gemeinsames Lernen der richtige Weg ist und nicht das Home-Schooling. Die notwendigen Investitionen werden wir aufbringen müssen. Wir müssen uns fragen, was können wir vor Ort tun, um das Infektionsrisiko in den Schulen zu reduzieren. Dass der Unterrichtsbeginn entzerrt wird und so die überfüllten Busse und Wege vor den Schulen entlastet werden, ist ein richtiger Ansatz. Dies sollte in ernsthafte Überlegungen münden, auch nach den PandemieZeiten die versetzten Unterrichtszeiten weiterlaufen zu lassen. So könnte die Spitze beim ÖPNV entlastet werden, damit die Infrastruktur für Mobilität besser genutzt werden. ÖPNV: Dieses Jahr stellen wir nur einen Antrag. Er soll dazu beitragen, die Innenstadt attraktiv zu halten: Kostenloser Bus-Verkehr an den vier Samstagen vor Weihnachten. Angesichts der HH-Lage sehen wir davon ab, unseren weitergehenden Antrag vom Vorjahr zu wiederholen. Dieser sah vor, an allen Samstagen im Jahr einen kostenlosen Busverkehr einzurichten. Vor einem Jahr wurden der kostenlose Bus-Verkehr nur für die vier Samstage vor Weihnachten beschlossen und mit 56000€ veranschlagt. Dies ist die Mindest-Summe, um auch den innerstädtischen Handel wieder zu beleben. Der innerstädtische Handel jedoch benötigt vermutlich solche Förder- Jürgen Müller 4 20.11.2019 Im Gemeinderat Ludwigsburg Initiativen schon vor dem Endes des nächsten Jahres, wenn im Laufe des nächstens Jahres die Corona-Pandemie zurückgedrängt werden kann. Im Übrigen ist dies ein kleiner, wirklich kleiner Beitrag gegen den Klimawandel. Insgesamt stimmt uns die Förderung des Bus-Verkehrs auch auf eine zukünftige Klima-gerecht Stadtkultur ein. Grundstückspolitik: Der Haushaltsentwurf sieht erheblichen Verkauf von Grundstücken vor. Einige Grundstücke wurden für die Wohnbebauung gekauft und sollen nach der Erstellung des Bebauungsplan wieder veräußert werden. Das ist für uns nicht vertretbar, wenn schon, dann sollte die Stadt solche Grundstücke in ErbbauRecht vergeben. Auch darüber ließe sich die notwendige Infrastruktur langfristig finanzieren. Darüber hinaus gehören der Stadt einige Grundstücke und Gebäude, die sie schon lange in ihrem Besitz sind, die sie aber im Moment nicht für eigene Zwecke nutzt. Auch bei einigen dieser Grundstücke, wird über einen Verkauf nachgedacht, damit der Haushalt ausgeglichen wird. Das lehnen wir entschieden ab, weil die Stadt für kurzfristige Erfolge im Haushalt langfristig Handlungs- und Gestaltungsmacht verliert. Das ist ein falsch verstandener „Generationsgerechter Haushalt“. Zur Verschuldung: Die starken Einbrüche bei den Steuereinnahmen führen in diesem Jahr und auch in den Folgejahren zu einer starken Verschuldung nicht nur von Ludwigsburg, sondern auch der anderen Kommunen. Die kommunalen Hebel für eine sozial gerechte Steuer- und Einnahmenpolitik sind jedoch beschränkt. Es ist deshalb notwendig, dass Bund und Land die kommunalen Finanzen besser ausstattet und nicht nur die diesjährigen Ausfälle einmalig erstattet. Es gibt jetzt bestimmt Einige, die vor der Verschuldung von Land und Bund warnen. Dazu aber drei Überlegungen: Bei den denn absehbar niedrigen Zinsen bedeutet dies nur eine sehr kleine Zinslast für die öffentlichen Haushalte wenn nicht sogar eine „Zins-Erleichtung“, Jürgen Müller 5 20.11.2019 Im Gemeinderat Ludwigsburg wenn Negativ-Zinsen gezahlt werden bzw. sogar eine Entschuldung. Wenn sich Bund und Länder wieder im großen Maßstab entschulden, gibt es für die Versicherungen und andere Akteure auf dem Finanzmarkt nicht ausreichend sichere Anlagemöglichkeiten. Den Schulden stehen aber Vermögen bei anderen gegenüber. Genauso wie die Schulden vererbt werden, werden die Vermögen fast unversteuert auch weitervererbt. Dies heißt, dass zu einem Generationengerechten Haushalt auch eine Generationen-gerechte Steuerpolitik gehört. Zu Beginn meiner Ausführungen habe ich dargelegt, wie unterschiedlich die Pandemie die Menschen betrifft. Einige tangiert dies gar nicht oder sie profitieren sogar von der Situation. So sollen laut einer Studie der UBS-Bank und der PwC-Beratergesellschaft gerade in Deutschland die nun 119 Milliardäre in der Zeit der Corona-Pandemie um 500 Mio. € reicher geworden sein. Dies in einer Zeit in der davon gesprochen, dass wir es mit der größten Wirtschaftkrise seit dem 2.Weltkrieg zu tun haben. Nun trifft die Last der Krise die Menschen sehr unterschiedlich. Wäre es da nicht angebracht über einen neuen Lastenausgleich wie nach dem 2.Weltkrieg nachzudenken? Um aus diesen Gedanken auch eine politische Kraft wirksam werden zu lassen, gibt es im nächsten Jahr zweimal die Gelegenheit. Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich den Beschäftigten der Stadt danken für Ihre Arbeit in diesem schwierigen Jahr und hoffe, dass wir mit dem Haushalt eine Grundlage schaffen, damit sie weiterhin eine gute Arbeit leisten können. Wir werden uns auch dafür einsetzen, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.