Haushaltsrede und Anträge von Marc Dreher im Kreistag Esslingen

Sehr geehrter Herr Landrat,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch ich möchte zu Beginn auf die Situation in Israel und Palästina eingehen. Die grausamen Terror-Angriffe der Hamas auf Israel am 07.Oktober, bei denen über 1.200 Menschen getötet wurden, verurteilen wir aufs Schärfste. Dafür gibt es keine Rechtfertigung, kein wenn und aber, egal wie man die seit Jahrzehnten festgefahrene Situation in der Region politisch beurteilt. Terror, Antisemitismus und das Töten von Zivilisten dürfen nie eine Antwort sein. Gleichzeitig – und das möchte ich hier betonen – gilt unser Mitgefühl allen Opfern dieses Krieges! Hier gibt es kein menschliches Leid erster und zweiter Klasse. Die seit gut vier Wochen anhaltenden massiven Bombardements und die Bodenoffensive seitens der Israelischen Armee, fordern ebenso unermessliches Leid unter der palästinensischen Zivilbevölkerung, welche mittlerweile 5000 – 10000 Todesopfer – es ist schwierig hier genaue Zahlen zu bekommen – zu beklagen haben. Das Selbstverteidigungsrecht Israels darf nicht für einen Vernichtungskrieg gegen das palästinensische Volk missbraucht werden!

Das Existenzrecht Israels, als eine für Jüdinnen und Juden sicherer Staat anzuerkennen und gleichzeitig für die Rechte der palästinensischen Bevölkerung einzustehen, sind kein Widerspruch. Unsere Herzen sind groß genug all das gleichzeitig fühlen zu können. Deshalb stehen wir solidarisch an der Seite all jener demokratischen Kräfte, die sich für eine friedliche Lösung einsetzen, die nicht zulassen wollen, dass Hass die Oberhand gewinnt, und die an eine Zukunft glauben, in der alle Menschen in der Region in Frieden, Würde und Sicherheit zusammenleben. Auch wenn dieser Wunsch aktuell so weit weg wie noch nie erscheint.  

Es wurde heute außerdem schon viel über Finanzen geredet und auch ich möchte heute den Themenbereich der Finanzpolitik zum Schwerpunkt machen. Doch wenn man die finanzielle Situation und die Herausforderungen verstehen will, vor denen die Kommunen und Landkreise stehen, bedarf es vor allem einen Blick auf die Bundesebene!

Hier wird weiterhin unbeirrt das goldene Kalb der Schuldenbremse angebetet, obwohl mittlerweile alle ernst zu nehmenden Ökonomen dieses Instrument als unbrauchbar für die jetzige wirtschaftliche Lage in Deutschland betrachten.  Kreditfinanzierte Investitionen etwa in Straßen, Schienen, Brücken, Bildung, Energiegewinnung werden unterlassen – mit teuren Folgen für künftige Generationen. Die Sparsamkeit von heute wird die Handlungsspielräume von morgen einschränken. Wenn das die vielzitierte Generationengerechtigkeit in diesem Zusammenhang ist, dann kann man dieses Argument nur noch als zynisch betrachten. Doch nicht nur notwendige Investitionen werden unterlassen. Noch schlimmer liest sich der Haushaltsentwurf der Bundesregierung – welcher in erster Linie ein Kürzungshaushalt ist.

Wie soll der Umbau der Verkehrs- und Energiesysteme hin zu einer klimagerechten Transformation gelingen, was soll Menschen Hoffnung auf ein sozial abgesichertes Leben machen, wenn diese Regierung alles kürzt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist? Hierzu mal ein kurzer Überblick:                  

– Bundesfreiwilligendienste: – 26% (53 Mio.)

– Umsetzung UN-Behindertenkonvention: – 13%

– Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: – 23% (angesichts der Corona Pandemie oder der Flut im Ahrtal eine geradezu groteske Entscheidung)

– Bundeszentrale für politische Bildung: – 21%

-Bafög: – 24%

-Freie Jugendhilfe: – 19%

Bis zum Montag dieser Woche war auch noch die Weiterfinanzierung des Deutschlandtickets in der Schwebe. Hier wurde im letzten Moment glücklicherweise umgesteuert. Der einzige Posten im Haushalt, welcher steigen wird, ist der Verteidigungsetat. Unter Fortschrittskoalition habe ich mir etwas anderes vorgestellt. 

Eine aktuelle Umfrage unter Wohlfahrtseinrichtungen zeigt, dass angesichts der massiven Kostensteigerungen bereits jetzt rund 40 Prozent ihre Leistungen finanziell bedingt einschränken oder ganz einstellen mussten. Soziale Infrastruktur wird dem ideologischen Dogma der Schuldenbremse geopfert. Hier droht ein sozialer Kahlschlag, der auf alle Fälle verhindert werden muss! Die Ausgaben für die Verwaltung der Jobcenter sowie die Eingliederungsleistungen, also für Weiterbildungen der Arbeitsuchenden, sollen gar um eine halbe Milliarde Euro gekürzt werden. Die Jobcenter haben auf den Haushalt der Ampel bereits reagiert und angekündigt, massiv Förderungen abzubauen oder ganz einzustellen. Anstatt mit dem Bürgergeld einen neuen Start zu schaffen, mit mehr Beratung und Respekt, mit mehr Qualifizierung und Chancen für den Arbeitsmarkt, erzeugt diese Regierung Resignation und Zukunftsangst. Wer diese Politik zu verantworten hat, darf sich über alarmierende Wahlumfragen nicht mehr wundern.

Aber auch ökonomisch ist dieser Kurs der totale Wahnsinn. Keine Talkshow vergeht ohne Abgesang auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. Aber es sind genau dieselben Politikerinnen und Politiker, die in den vergangenen Jahren dafür sorgten, den Gürtel immer enger zu schnallen und den Bundeshaushalt der viertgrößten Volkswirtschaft der Erde so zu führen wie die Kasse eines Kleintierzüchtervereins.

Was ist damit gemeint? Hier muss eine volkswirtschaftliche Selbstverständlichkeit immer wieder betont werden: Staatsschulden sind nicht vergleichbar mit Privatschulden! Deshalb ist die Metapher der schwäbischen Hausfrau – die in den letzten Jahren immer wieder für die Rechtfertigung der Schuldenbremse herhalten musste – schon immer falsch gewesen. Das entscheidende Ziel staatlicher Finanzpolitik muss die Sicherung der Tragbarkeit der Staatsverschuldung sein. Schulden sind nicht per se nachteilig.

Es widerspricht jeglicher ökonomischen Logik, zu versuchen, sich aus einer Rezension heraus zu sparen. Was es braucht sind gerade jetzt massive öffentliche Investitionen.

Wie es geht, zeigt überraschenderweise ein Blick in die U.S.A. – mitnichten ein Staat, welcher als sozialistisches Utopia bekannt ist. Präsident Biden setzt hier auf das völlige Gegenteil: massive staatliche Investitionen in Bildung, Brücken, Schienen, in Klimaschutz, in neue Fabriken im eigenen Land.

Nur Deutschland ist diesbezüglich auf einem Sonder-, man könnte auch Holzweg sagen. Das Institut der deutschen Wirtschaft – ebenso nicht als linker Think Tank bekannt – fordert eine Aussetzung der Schuldenbremse für öffentliche Investitionen: Zitat: „Es ist vertretbar, den Verschuldungsspielraum wachstumspolitisch zu öffnen, um wichtige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit zu ermöglichen“.  

Diese engstirnige Obsession mit der Schuldenbremse wirkt sich selbstverständlich auf die kommunale Ebene aus. Es ist die öffentliche Infrastruktur die kaputt gespart wird, es sind die Schulen vor Ort die nicht saniert werden, es sind die Schwimmbäder die geschlossen werden usw. usf. Die Liste lässt sich weiterführen.

Der Sparkurs und die Verschuldung der kommunalen Ebene in Deutschland führt zur Einschränkung demokratischer Gestaltungsmacht der kommunalen Gremien. Nicht zuletzt aufgrund der immer steigenden Kosten der Flüchtlingsunterbringung – welche ja auch uns im Kreis beschäftigen – braucht es endlich eine Befreiung der Kommunen von Altschulden durch den Bund. Trotz des Versprechens aus dem Koalitionsvertrag ist vonseiten der Ampel nichts Substanzielles passiert, um die kommunale Ebene zu entlasten und besser auszustatten. Im Gegenteil, die Situation verschlechtert sich weiter.

Jedoch will ich an dieser Stelle hier nicht unerwähnt lassen, dass der Landkreis Esslingen trotz diesen Entwicklungen weiterhin in wichtige Bereiche investiert, seien es die 63,8 Mio. € in den Öffentlichen Nahverkehr, 17 Mio. € in Fotovoltaik oder in die Ausstattung unserer Schulen. Das ist der richtige Weg und findet auch unsere Unterstützung!

Im Folgenden möchte ich auf den zu verabschiedenden Haushalt eingehen:

– Finanzierungsleitlinien / Kreisumlage

So falsch es war, auf Bundeebene die Schuldenbremse ins Grundgesetz zu schreiben, so falsch war es die Finanzierungsleitlinien in der Juli Sitzung des Kreistags mit einem Automatismus zur Kreisumlage zu versehen. Beides sind vergleichsweise unflexible Regelsysteme, welche eine dynamische Anpassung auf die aktuelle Situation erschweren und somit auch den politischen Entscheidungsspielraum einschränken. Was wir nun davon haben, lässt sich anhand der massiven Steigerung der Kreisumlage um 8,1 Punkte auf 35,9 beobachten. Mit Verlaub, das war ein Griff ins Klo – man kann es nicht anders sagen. Deshalb schlagen wir vor, die aktuellen Finanzierungsleitlinien ruhen zu lassen und es dem neugewählten Kreistag nächstes Jahr zu überlassen, über diese Leitlinien zu beraten oder sie abzulehnen. Wir sind gespannt wie sich die Diskussionen darüber in den nächsten Wochen entwickeln.

– Wohnen

Ein Thema welches uns weiterhin beschäftigt ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Immer mehr Menschen können sich nicht mehr mit ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum selbst versorgen und sind vom Zugang auf den „freien“ Wohnungsmarkt ausgeschlossen. Die Wohnungsfrage ist und bleibt die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Nun ist uns bewusst, dass die Möglichkeiten des Landkreises aufgrund einer nicht vorhandenen eigenen Wohnungsbaugesellschaft – über die beispielsweise unser Nachbarlandkreis Rems Murr verfügt – begrenzt sind. Deshalb schlagen wir ein kommunales Wohnraumförderprogramm vor, bei dem der Landkreis die Schaffung von sozialem Mietwohnraum in den Städten und Gemeinden finanziell unterstützt. Die Fördermittel sollen als Ergänzung zur schon bestehenden Landesförderung eingesetzt und für den Neubau und Erwerb von sozialen Mietwohnungen in den Städten und Gemeinden im Landkreis verwendet werden. Es handelt sich also um eine Komplementärförderung, die zusätzlich zur Landesförderung auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg gewährt wird. Auch das ist keine revolutionäre Idee unsererseits, sondern besteht seit 2020 erfolgreich im Landkreis Heilbronn. Es wäre eine Möglichkeit das Thema bezahlbares Wohnen endlich auch hier im Kreistag mitgestalten zu können!

– Sozialticket:

Stuttgart, Mannheim, Freiburg, Heidelberg, Ulm, Landkreis Heilbronn und der Landkreis Göppingen. Was haben all diese kreisfreien Städte und Landkreise gemeinsam? Richtig, sie verfügen für ihre Einwohnerinnen und Einwohner mit nur geringem Einkommen über ein Sozialticket oder eine vergleichbare Regelung, die es ermöglicht auch mit kleinem Geldbeutel mobil zu sein. Wir fordern in einem interfraktionellen Antrag, dass sich der Landkreis für ein einheitliches Sozialticket – angegliedert an das Deutschlandticket – im gesamten VVS einsetzt. Der Landkreis Tübingen führt genauso ein Ticket zum 1. März 2024 ein! Auch hier lohnt es sich, den Blick außerhalb der Gemarkung unseres Landkreises zu lenken.

Nun weiß ich ja aus den vergangenen Jahren – es ist ja nicht der erste Antrag zu diesem Thema – dass die Mehrheit im Kreistag immun gegen die sozialpolitischen Argumente für ein solches Ticket ist, weshalb ich es mal mit einem ökonomischen Ansatz versuche: Durch die Einführung eines Sozialtickets, sprechen wir einen Teil der Bevölkerung an, welcher sich zum Großteil das Deutschlandticket nicht leisten kann und deshalb entweder sporadisch Einzeltarife nutzt oder im schlimmsten Falle ohne Ticket fährt. Sicherlich eine Größe die nicht zu vernachlässigen ist. D.h. durch ein Sozialticket können auch neue Kunden in die Abo-Struktur integriert werden und es entstehen sogar Mehreinnahmen durch die Gewinnung neuer Kundinnen und Kunden – wie die Erfahrung aus den verschiedenen Städten und Landkreisen deutschlandweit zeigt. Der Landkreis schmückt sich ja oft – und in den vielen Fällen durchaus berechtigt – damit, Vorreiter in bestimmten Themenbereichen zu sein. Hier jedoch hinken wir hinterher, es wird dringend Zeit das zu ändern!

Des Weiteren ist uns selbstverständlich auch der Klimaschutz ein Anliegen. Wie schon in der letzten Haushaltsdebatte stellen wir wieder einen Antrag zum Recycling von Baustoffen. Rund 30% der CO² Emissionen in Deutschland entstehen durch den Bau und die Nutzung von Gebäuden. Nun muss auch weiterhin gebaut werden – gerade, wenn wir beispielsweise bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen. Ein Teil dieser Emissionen kann durch ein besseres Recycling von Baustoffen eingespart werden. Hierzu soll der Landkreis gemeinsam mit den Kommunen vorbereitende Untersuchungen durchführen, um geeignete Standorte für das Recycling von Baustoffen zu sichern. Um das Recycling zu intensivieren, mangelt es insbesondere auch an der Bereitstellung der hierfür notwendigen Flächen. Diese könnten auch bei der Suche nach neuen Deponieflächen helfen, letztere deutlich zu reduzieren und die notwendige Umstellung der Bauwirtschaft von der Ressourcenverschwendung zur Kreislaufnutzung unterstützen.  

Sie merken, auch dieses Jahr haben wir einen bunten Strauß an Vorschlägen, den Landkreis ökologischer und sozial gerechter zu machen.

Wie es sich gehört möchte ich mich zum Schluss noch bei der Verwaltung und insbesondere bei Herrn Klöhn für die Einbringung des Haushalts bedanken.

Als Linksfraktion sind wir gespannt auf die Haushaltsberatungen und hoffen auf konstruktive und zielführende Diskussionen!

Vielen Dank.

Hier die Anträge der LINKEN im Esslinger Kreistag:

Vertaktung der Linie 122
Die Fraktion die LINKE beantragt, dass die Vertaktung der Linie 122 (Esslingen ZOB –
Flughafen/Messe) unter der Woche bis 22 Uhr und samstags bis 20 Uhr im Halbstundentakt
erfolgen soll.
Begründung:
Die Linie122 fährt aktuell bis 20 Uhr im Halbstundentakt, ab 20 Uhr nur noch im Stundentakt.
Für diese vielgenutzte Verbindung von Esslingen über Ostfildern, Plieningen und zum
Flughafen und zur Messe ist dies für einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr unzureichend.
Die Erfahrungen mit anderen Buslinien zeigen, dass der Halbstundentakt gut angenommen
wird, vor allem auch zu Veranstaltungsorten und Mobilitätspunkten. Eine Änderung in den
Halbstundentakt bis 22 Uhr würden zusätzliche vier Fahrten bedeuten.
Kommunales Wohnförderprogramm des Landkreises
Die Fraktion DIE LINKE beantragt, dass der Landkreis zur Linderung des großen Mangels an
bezahlbaren Mietwohnungen in den kommenden Jahren die Schaffung von sozialem
Mietwohnraum in den Städten und Gemeinden im Landkreis finanziell unterstützt. Die
Verwaltung wird beauftragt, die Vorbereitung eines Programms zur kommunalen
Wohnraumförderung und eine Erarbeitung entsprechender Richtlinien zu erstellen. Über die
genaue Höhe der finanziellen Mittel, wird der Kreistag nach Vorstellung des Programms und der Erstellung der Richtlinien entscheiden.
Begründung:
Die Fördermittel sollen als Ergänzung zur Landesförderung eingesetzt und für den Neubau
und Erwerb von sozialen Mietwohnungen in den Städten und Gemeinden im Landkreis
verwendet werden (siehe Beispiel Landkreis Heilbronn). Es handelt sich also um eine
Komplementärförderung, die zusätzlich zur Landesförderung auf der Grundlage der
Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg (VwV-Wohnungsbau BW) gewährt wird. Immer mehr Menschen können sich nicht mehr mit ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum selbst versorgen und sind vom Zugang auf den freien Wohnungsmarkt ausgeschlossen. Mit diesem Programm soll ein Anreiz geschaffen werden, damit insbesondere für diesen wachsenden Teil der Bevölkerung in den Städten und Gemeinden im Landkreis zusätzlich sozialer Wohnraum entsteht. Dabei soll beachtet werden, dass auch alternative Wohnprojekte im Landkreis Zugang zu dem Förderprogramm bekommen.
Gemeinsamer Antrag DIE LINKE und SPD
Zukunft des Aktionsprogramms Demokratie und Toleranz
Die Fraktionen DIE LINKE und SPD bittet die Verwaltung, über die zukünftigen Planungen
bzgl. des Aktionsprogramms Demokratie und Toleranz nach Ablauf des Bundesprogramms
„Demokratie leben!“ Ende nächsten Jahres im Landkreis zu berichten.
Begründung:
Basierend auf den Antrag der Fraktionen der SPD und DIE LINKE verabschiedete am
16.11.2021 der Kreistag gemeinsam das Aktionsprogramm Demokratie und Toleranz.
Seitdem wurden zahlreiche Projekte im Bereich der politischen Bildung und
Präventionsarbeit erfolgreich finanziell gefördert. Ende 2024 wird die finanzielle Förderung
durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ – welches für die Umsetzung des
Aktionsprogramms von immenser Wichtigkeit ist – auslaufen. Um frühzeitig eine Planung für eine mögliche Weiterführung des Programms zu gewährleisten, bitten wir die Verwaltung ihre Pläne diesbezüglich dem Kreistag vorzustellen.
Gemeinsamer Antrag DIE LINKE und SPD
Ein einheitliches Solidarticket im VVS in Rahmen des Deutschlandtickets umsetzen
Die Landkreisverwaltung wird beauftragt, sich nach Einführung des 49 Euro-Tickets und der
Einführung des 365 Euro-Jugendtickets in Baden-Württemberg auch für eine ähnliche
Regelung für ein einheitliches Solidarticket im VVS einzusetzen. Das Ticket soll für alle
Bezieher:innen von Leistungen nach SGB II, SGB XII, WoGG und AsylbLG gelten.
Begründung:
Mit dem 49 Euro-Ticket und dem 365 Euro-Jugendticket gibt es inzwischen Regelungen, die
auch von einzelnen Städten und Landkreisen im VVS (Landeshauptstadt Stuttgart, Kreis
Göppingen) oder von Bundesländern wie Hessen oder Niedersachsen aufgegriffen wurden,
um auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel Mobilität weiterhin erschwinglich zu machen.
Hier sollte der VVS jetzt die Initiative für sein Verbundgebiet ergreifen. Ein Solidarticket ist
nicht nur ein sozialpolitisches Instrument zur Verwirklichung von demokratischer, sozialer
und kultureller Teilhabe der entsprechenden Bevölkerungsgruppen, sondern ein
unverzichtbarer Baustein für eine gesamthafte Verkehrswende, die die Erreichung der
Klimaziele von Bund und Land mit ermöglicht. Als gemeinsamer Verkehrsverbund ist uns
dabei eine regionalweit einheitliche Lösung ein Anliegen, das Mobilitätsbedarfen ebenso wie dem Abbau von Bürokratie dient.
Flächen für Baustoffrecycling sichern
Die Fraktion DIE LINKE beantragt: Der Landkreis Esslingen führt gemeinsam mit Kommunen
vorbereitende Untersuchungen durch, um geeignete Standorte für das Recycling von
Baustoffen zu sichern.
Begründung:
In Baden-Württemberg stellt der Abriss von Gebäuden eine der größten Müllquellen dar.
Bauschutt und Bauabfälle machen ‚im Ländle‘ etwa 80 % des gesamten Abfallaufkommens
aus. Das baden-württembergische Umweltministerium plant daher die Förderung einer
zirkulären Bauwirtschaft, um die jährlich rund 40 Millionen Tonnen Bauabfälle inklusive
Bodenaushub einer produktiven und ressourcenschonenden Kreislaufnutzung zuzuführen.
Ziel ist es, Abfallprodukte in ihrer Gesamtheit als Rohstoffe zu betrachten und als
schadstofffreie Zerlegprodukte wieder in den biologischen Kreislauf zurückfließen zu lassen.
So können Gebrauchsgüter dauerhaft wiederverwendet werden, im Sinne einer möglichst
vollständigen Müllvermeidung. Zwar verpflichtet das Landeskreislaufwirtschaftsgesetz
öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen bereits zur Gleichbehandlung von Primär- und Recyclingbaustoffen, doch liegt laut aktuellen Presseberichten der Anteil von
Abbruchmaterial im Hochbau im einstelligen Prozentbereich, und noch weit unter dem
Recyclinganteil von 25 % im Straßenbau. Um das Recycling von Baustoffen zu intensivieren,
mangelt es insbesondere auch an der Bereitstellung der hierfür notwendigen Flächen. Diese
Flächen könnten auch bei der Suche nach neuen Deponieflächen helfen, letztere deutlich zu
reduzieren und die notwendige Umstellung der Bauwirtschaft von der
Ressourcenverschwendung zur Kreislaufnutzung unterstützen.
Erreichbarkeit kultureller, historischer und naturkundlicher Orte
Die Fraktion DIE LINKE beantragt: Die Verwaltung erstellt einen Bericht über die
Erreichbarkeit kultureller und historischer Veranstaltungsorte außerhalb städtischer Zentren
mit dem ÖPNV und mit Fahrrädern oder Pedelecs. Der Bericht soll Grundlage dafür sein,
das ÖPNV-Angebot und dessen Vertaktung zu verbessern.
Begründung:
Für den Tourismus, für Naherholung, für Freizeitverkehre und für Kultur bietet unser
Landkreis zahlreiche Orte im ländlichen Bereich. Ein touristisches Themenportal
beispielsweise beschreibt dieses Potential anhand einer „Dichterreise“ durch die Region wie
folgt:
„Von Stuttgart aus lässt sich ein bedeutender Teil der literarischen Landschaft Baden-
Württembergs erkunden, die reich an Dichtern und Philosophen von Weltruf ist. Viele der
Dichterhäuser und biografischen Literaturmuseen wurden in den vergangenen Jahren nach
wissenschaftlichen Gesichtspunkten neu gestaltet und mit multimedialen Präsentationen
ausgestattet. Der durch das Land reisende Besucher bekommt anschaulich ein breites
Panorama deutscher und europäischer Geistesgeschichte geboten. Die Tour zu
biografischen Orten von Schriftstellern in der Region Stuttgart beginnt nördlich am
Deutschen Literaturarchiv in Marbach und endet in Blumhardts Literatursalon in Bad Boll.“
Obwohl diese Orte unseren Landkreis auszeichnen, sind sie häufig schlecht oder gar nicht
mit dem ÖPNV erreichbar. Ein extremes Beispiel hierfür ist das „Oppidum Heidengraben“,
mit fast 17 Quadratkilometern eine der größten befestigten spätkeltischen Siedlungen
Europas. Dort entsteht ein neues großes Besucherzentrum (Heidengrabenzentrum), das
durch den Landkreis mitfinanziert wird. Eine gute ÖPNV-Anbindung ist jedoch nicht
vorhanden. Eine gute und schnelle ÖPNV-Anbindung für historische und kulturelle
Einrichtungen ist daher kein Nischenthema, sondern ein wichtiges Element für die Akzeptanz dieser Einrichtungen. Sie dient aber auch den Besucherinnen und Besuchern, die so einen
wichtigen und guten Zugang und damit gute und nachhaltige freizeittouristische
Möglichkeiten bekommen.
Finanzierungsleitlinien
Die Fraktion Die LINKE beantragt, die aktuellen Finanzierungsleitlinien durch einen
Beschluss des Kreistages auszusetzen und es dem neugewählten Kreistag zu überlassen
über Leitlinien zu beraten oder sie abzulehnen.
Begründung:
Die aktuelle Haushaltseinbringung und die Beratungen darüber haben gezeigt, dass die
gültigen Finanzierungsleitlinien ein untaugliches, technokratisches Mittel sind, um einen
Kreishaushalt gut zu beraten und zu beschließen. Der neu zu wählende Kreistag muss die
Möglichkeit bekommen, solche Leitlinien abzulehnen oder neu zu beraten. Damit wäre auch
eine souveräne Entscheidung des Kreistages über den Haushaltsplan des Landkreises
wieder hergestellt. Berichtsantrag zur wachsenden Zahl der Notrufe und zur Situation der Integrierten Leitstelle Esslingen (ILSE)
Das neueste Gutachten zur Personal- und Platzbedarfsbemessung für die ILSE liegt seit
Februar 2023 vor. Aufgrund der stetig wachsenden Zahl der Notrufe ist eine Erhöhung des
Leitstellenpersonals im Bereich der Feuerwehr um mehr als 116 % sowie im Bereich des
Rettungsdienstes um mehr als 32 % notwendig. Dies soll stufenweise in den nächsten drei
Jahren erfolgen.

  • Die Fraktion DIE LINKE bittet darum, das o. g. Gutachten den Mitgliedern des Kreistags zur Verfügung zu stellen.
  • Darüber hinaus bitten wir darum, die Quantität und die differenzierte Qualität der Notrufe im Verlauf der letzten Jahre darzulegen. Was sind die Ursachen für diese offensichtlich rapide und Besorgnis erregende Erhöhung der Notrufe?
    Untersuchungen in Wiesbaden haben gezeigt, dass etwa 60 % der Rettungseinsätze ältere Menschen betreffen. Etwa ein Drittel der Notrufpatienten hatte keinen akutmedizinischen Bedarf. Etwa 20 % der in den Kliniken Aufgenommenen wurden innerhalb von wenigen Stunden nach Hause entlassen, ohne dass medizinische Maßnahmen eingeleitet wurden.
    Die Situation in Wiesbaden konnte durch ein Kooperationsmodell zwischen Rettungsdienst und kommunalen Beratungsstellen für selbständiges Leben im Alter wesentliche Verbesserungen schaffen. Insbesondere hat dieses Netzwerk zur Entlastung der Rettungsdienste und Kliniken beigetragen. (www.bagso.de Newsletter 6, „Pilotprojekt: Kooperation zwischen Rettungsdiensten und Altenhilfe“)
  • Sind im Landkreis ähnliche Situationen vorhanden? Wären ähnliche Netzwerke hilfreich, zur Entlastung der Leitstelle, der Rettungsdienste und der Kliniken? Ist eine Zunahme der Bedarfe bei einer erfreulicherweise immer älter werdenden Gesellschaft zu erwarten?
    Mietobergrenzen
    Zum 01.08.2023 wurden die Mietobergrenzen SGB II und SGB XII angepasst. Dabei wurde jedoch abermals der Landesindex Baden-Württemberg als Grundlage herangezogen. Eine Fortschreibung mit dem Landesmietindex ist jedoch ein ungenauer Maßstab, weil es sich
    dabei um einen Mittelwert handelt, der auch Niedrigpreisregionen im Land umfasst und
    deshalb die Mietpreissteigerungen von Hochpreisregionen wie unserem Landkreis nicht
    adäquat abbildet.
    Mit dem neuen Mietobergrenzenkonzept zum 1.8.2021 hat der Landkreis jedoch von Rödl
    & Partner ein Fortschreibungstool gekauft, das die konkreten Mietpreissteigerungen im
    Landkreis für eine Fortschreibung messen kann.
  • Die Fraktion Die LINKE bittet die Verwaltung darzulegen, weshalb dieses
    Fortschreibungsinstrument nicht zur aktuellen Anpassung der Mietobergrenzen verwendet
    wurde?