Lebensqualität für ALLE durch eine umfassende kommunale Daseinsvorsorge

Emanuel Peter hat ein Thesenpapier geschrieben, das das Thema Flächenverbrauch/ Boden eingliedert in die Frage nach der kommunalen Daseinsvorsorge. Meine Thesen beruhen auf den Erfahrungen des Rottenburger Ortsverbandes in zwei Bürgerentscheiden und einer jahrelangen Auseinandersetzung im Gemeinderat mit dem Thema.
Vorbemerkung: Die folgenden Ideen haben nicht das Ziel, konkrete tagespolitische Forderungen in den kommunalen Gremien zu formulieren. Sie sollen vielmehr eine grundsätzliche Diskussion anstoßen über eine regionale Kreislaufwirtschaft als Grundlage für die kommunale Daseinsvorsorge, eine Grundlage, die bisher innerhalb der Linken vernachlässigt worden ist.
Angesichts von Lieferengpässen, Umweltzerstörung und Kriegen gewinnt eine dezentrale, regionale
Kreislaufwirtschaft immer mehr an Bedeutung. Sie umfasst Produktion, Vertrieb und Verkauf von
Nahrungsmitteln, Wasser und Energie und wird überlebenswichtig gerade für sozial benachteiligte
Schichten unserer Bevölkerung. Ohne eine Kreislaufwirtschaft, die besonders die Grundbedürfnisse dieser Schichten (z.B. durch geringere Kosten für Grundverbräuche) wird es keine sozialökologische Wende geben.


Eine dezentralisierte Kreislaufwirtschaft beginnt mit einem nachhaltigen Umgang mit natürlichen
Ressourcen und beachtet besonders Böden, Wälder, Moore und Wasserressourcen. Sie gehören zusammen
mit der menschlichen Gesundheit zu den gesetzlich verankerten Schutzgütern und sind Teil der
verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung für neue (kommunale) Projekte (UVPG, 1990).
Die Bodenversieglung von täglich 56 Hektar, d.h. von 75 Fußballfeldern (2018) muss strikt begrenzt und
das Ziel einer Obergrenze von 20 ha/ tgl. (Umweltbundesamt) muss eingehalten werden. Böden sind ein
Allgemeingut und dürfen nicht Konzernen für Landgrabbing ausgeliefert werden, das erste
Bodenschutzgesetz in Deutschland stammt von 1999. Es ist Reaktion darauf, dass die natürlichen
Ressourcen immer mehr der rücksichtslosen Gewinngier von Konzernen innerhalb der kapitalistischen
Produktionsweise zum Opfer fallen.
Für die Kommunen wird es notwendig, eine Gesamterfassung der Bodennutzung durch Landwirtschaft,
Industrie/ Gewerbe, Infrastruktur (Verkehr und Energiegewinnung) und Wohnungsbau zu erstellen und
über die Verwendung des unversiegelten Bodens einen demokratischen und sozialen Konsens in der
Kommune zu herzustellen. Dies umso mehr, als die Stuttgarter Landesregierung in ihrem neuen Gesetz
zwingend vorschreibt, zwei Prozent der kommunalen Gesamtfläche für Erneuerbare Energien vorzuhalten
(1,8 Prozent für EE und 0,2 Prozent für Photovoltaik), verbunden mit der Drohung, den Kommunen das
kommunale Verfügungsrecht darüber zu entziehen. Für eine große Kreisstadt mit 14.277 ha wie
Rottenburg bedeutet dieser Beschluss eine „Reservierung“ von 285 Hektar Fläche allein für erneuerbare
Energien. Im Vergleich: Der Regionalverband für die drei Landkreise Tübingen, Reutlingen und
Zollernalb hat 2021 die Erweiterung allein der Gewerbeflächen für diese drei Kreise von 270 auf 399
Hektar beschlossen.
Insgesamt kommen dem Boden (und damit der Flächenversieglung) eine vielfältige Bedeutung zu:

a) Wasser: Aufnahme von Niederschlägen, Versickerung und Umwandlung zu Trinkwasser; Boden als
Wasserspeicher, auch zur Bewässerung der Landwirtschaft und Erzeugung von Energie
(Wasserkraftwerke). Dieser Aspekt gewinnt durch die Klimazerstörung mit lang anhaltenden Dürren,
fehlendes Gletscherwasser, aber auch durch Pestizide eines intensivierten Landwirtschaft, durch
Verunreinigungen der Industrie und durch Fracking in den nächsten Jahren an großer Bedeutung (siehe
aktuell Frankreich und Italien). Hinzu kommt der Versuch großer (Lebensmittel-)Konzerne, sich
kommunale Trinkwasservorräte für ein Spottgeld anzueignen und dann als teures Mineralwasser zu
verkaufen (Coca-Cola, Aldi, Nestlé usw.).
b) Biodiversität: Böden gewährleisten die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren und deren gegenseitige
Abhängigkeit. Wälder (je nach Baumarten) sind wichtig für den CO2-Abbau und für die Naherholung der
Menschen. Das dramatische Artensterben ist allseits bekannt und gefährdet vor allem die
Nahrungsmittelproduktion
c) Landwirtschaft: Die unterschätzte Rolle der Landwirtschaft für die Daseinsvorsorge zeigt sich daran,
dass 47,5 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt wird, dies ist bedeutend für
die Produktion von Grundnahrungsmitteln für die Bevölkerung. Zudem produziert die Landwirtschaft für
die regionale Kreislaufwirtschaft auch Viehfutter und auf den Wiesen nutzt dies das Vieh (Rinder, Schafe,
Ziegen) und pflegt so die Kulturlandschaft. Die Streuobstwiesen liefern Obst und Säfte.
Eine große Bedeutung bekommen neben Bodenqualität und Landwirtschaft die Lagerstätten für Getreide
(Silos), regionale Schlachthöfe statt zentrale, industriellen Schlachtfabriken à la Tönnies und für die
Vermarktung eine Stärkung von Bauernmärkten und Nahversorgung bei gleichzeitiger Zurückdrängung
von Discountern mit ihren langen Lieferwegen (hoher CO2-Ausstoß) und ihren Logistik-Zentren (massive
Flächenversieglung). Spätestens seit der Jahrtausendwende sind Grundbedürfnisse der Bevölkerung wie
Boden (Wohnungsbau/ Mieten, Immobilienspekulation, Landgrabbing), Mobilität und Wasser
(Trinkwasser, Bewässerung, Dürre) ins Zentrum großer Konzerne und Investmentfonds gerückt.
Für DIE LINKE sollten Lebensqualität und Daseinsvorsorge vor Ort beginnen und auch der
Ausgangspunkt für eine kommunenübergreifende Raumplanung werden.