Grußwort bei Verdi-Landesbezirkskonferenz

Seit 10 Jahren Kreisrat in Tübingen: der Landesgeschäftsführer der LINKEN, Bernhard Strasdeit.

Seit 10 Jahren Kreisrat in Tübingen: der Landesgeschäftsführer der LINKEN, Bernhard Strasdeit.

Bernhard Strasdeit, Landesgeschäftsführer der LINKEN, hielt bei der Ver.di-Landesbezirkskonferenz eine Gastrede. Daringeht er auf seine kommunalpolitische Arbeit und Erfahrung ein. Ein Thema war die aktuelle Tarifrunde bei den Sozial- und Erziehungsdiensten.

Strasdeit ist als Tübinger Kreisrat auch Mitglied des Forums Linke Kommunalpolitik in Baden-Württemberg e.V. Im folgenden kann die Rede nachgelesen werden.

Ver.di-Landesbezirkskonferenz BaWü, 20.3.2015 in Ulm, Grußwort der LINKEN, Bernhard Strasdeit

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Delegierte, liebe Mitgäste.

Danke für die Einladung zu Eurer Landeskonferenz.

 

Zuallererst von der LINKEN einen ganz herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag  von Verdi.  Heute vor genau 14 Jahren tagte der Verdi-Gründungskongress, und zwar vom 19. bis 21. März 2001 in Berlin und ich bin stolz darauf, dieser großen und einflußreichen Gewerkschaft von Anfang an anzugehören.

Ich bin hier als Landesgeschäftsführer der Linken vorgestellt, das stimmt auch, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Beruflich komme ich ursprünglich aus dem Groß- und Außenhandel, also  HBV-Herkunft.

In meinem ehrenamtlichen politischen Leben bin ich kommunalpolitisch engagiert und seit 10 Jahren Kreistagsmitglied in Tübingen

Der Equal Pay-Day ist bereits angesprochen worden. Als Kommunalpolitiker finde ich es prima, wenn es in Ratshäusern und Landratsämtern immer mehr Gender-Beauftragte gibt. Aber es ist großer Mist, wenn gleichzeitig Reinigungsfrauen und weibliche Serviceangestellte aus dem öffentlichen Tarif gekickt werden.

Und da möchte aktuell einen Punkt herausgreifen: wir brauchen auch in den Kommunalparlamenten viel mehr Aufmerksamkeit und Respekt für die wichtige Arbeit in den Sozial- und Erziehungsbereichen – für die Beschäftigten in der Jugendhilfe, in den Kitas, in der Behindertenarbeit, bei der Schul- und Flüchtlingsbetreuung.

Die Aufwertungskampagne von Ver.di hat nicht nur tarifpolitische Bedeutung, sie ist für die ganze Gesellschaft wichtig und:  für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land. .

Letzten Mittwoch war ich selbst dabei, als in Reutlingen Hunderte Erzieherinnen und Beschäftigte der Sozialdienste auf der Straße waren.

Die linken Gemeinderätinnen und Kreisräte aus Tübingen, Reutlingen und Rottenburg solidarisierten sich mit den Beschäftigten und sagten laut und öffentlich:

Eure Warnstreiks sind berechtigt.

Leider – liebe Kolleginnen und Kollegen,  hatten wir da als Linke ein kommunalpolitisches Alleinstellungsmerkmal.  Ich sage leider, weil ich glaube, wir brauchen breite Bündnisse in den Kommunen, mit den kommunalen Spitzen-verbänden, mit Gewerkschaften, mit sozialen Trägern und – mit den Parteien in den Parlamenten, damit die hochqualifizierte Arbeit in diesen Bereichen endlich mehr geachtet und besser bezahlt wird.

Es geht dabei auch um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben!

Es darf nicht weiter sein, dass hochqualifizierte Erziehungsarbeit in Kitas und Schulen, schlechter bezahlt wird als die von KFZ-Mechanikern.

Es gibt in den sozialen und betreuenden Berufsfeldern eine zunehmende Belastung, einen hohen Druck, den zu Betreuenden gerecht zu werden.  Die Teilzeitquote ist besonders hoch.

Befristungen sind an der Tagesordnung. Deshalb unterstützen wir die gewerkschaftlichen Forderungen für eine Neuordnung der Tätigkeits- und Eingruppierungsvorschriften.

DIE LINKE findet: „Das muss drin sein!“

Liebe kolleginnen und Kollegen

Es möge niemand behaupten, die Forderungen der Gewerkschaften wären nicht finanzierbar. „DIE LINKE fordert eine gerechtere Besteuerung der Spitzeneinkommen und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.  Letztere käme den Ländern zugute und könnte die knappen Kassen der Kommunen füllen.

Ich möchte daran erinnern, dass wir im letzten Bundestagswahlkampf nicht alleine eine gerechtere Besteuerung der Reichen und Superreichen forderten. Auch Grüne und SPD forderten das.

Aber es ist still geworden darum. Es wäre besser, die Spitzen unserer  Landesregierung würden sich in Berlin wieder dafür einsetzen – anstatt plötzlich Schäuble zu übertrumpfen und dafür zu plädieren, Betriebsvermögen von 100 Millionen Euro faktisch aus der Erbschaftssteuer zu befreien.

Solche Forderungen retten keine Arbeitsplätze sondern vergrößern noch mehr die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland. Eine noch mehr wachsende Kluft zwischen Arm und Reich fördert nicht – sondern hemmt das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland und Europa. Das sage nicht ich, das sagt uns ein Bericht der OECD, der Industriestaaten-Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Höhere Löhne und eine gerechtere Sozialpolitik hätten nach Berechnungen der OECD in den letzten Jahren bis zu sechs Prozentpunkte mehr Wachstum in Deutschland möglich gemacht.

Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung verdienten Mitte der achtziger Jahre fünfmal so viel wie die ärmsten zehn Prozent; heute liege das Verhältnis bei 7:1, kritisiert die OECD.

Die privaten Vermögen sind explodiert, die Reallohneinkommen haben stagniert.  Niedriglöhne, Leiharbeit, Werkverträge  und Befristungen sorgen dafür, dass immer mehr Menschen trotz Arbeit an der Armutsgrenze leben und auf Sozialleistungen angewiesen sind.

Die OECD fordert die Politik in Deutschland zum Gegensteuern auf.

Es wird hierzulande ständig davon geredet, dass andere Länder der Eurozone ihre Hausaufgaben machen sollen. Fakt ist, die Regierung in Deutschland macht ihre Hausaufgaben nicht:  Zuwenig Investitionen – zu viele Niedriglöhne – keine gerechte Besteuerung.

Dazu ein Zitat des Generalsekretärs der OECD Gurria:

„Unsere Analyse zeigt, dass wir nur auf starkes und dauerhaftes Wachstum zählen können, wenn wir der hohen und weiter steigenden Ungleichheit etwas entgegensetzen. Der Kampf gegen Ungleichheit muss in das Zentrum der politischen Debatte rücken.“

Die Städte, Gemeinden und Landkreise sind der Ort, wo sich Armut und miserable Jobs  direkt  auswirken:  in Städten wie Freiburg, Tübingen und Stuttgart können sich selbst Normalverdienende kaum noch eine Wohnung leisten.

Auch im reichen Baden-Württemberg ist fast jedes dritte Kind von Armut bedroht.

Die Zahl der geringfügig Beschäftigten, die Zahl der Hartz IV Aufstocker, der Beschäftigten in Leiharbeit und mit Werkverträgen hat sich in den letzen Jahren auch in unserem Bundesland drastisch erhöht.

Die zunehmenden Befristungen führen dazu, dass junge Menschen immer weniger Leben und Familie planen können. Und das trifft eben nicht mehr nur zu  auf Randbereiche – sondern – inzwischen auch auf Kernbereiche der Industrie und im öffentlichen Dienst.

Das ganze Drama ist nicht gottgewollt sondern gemacht von Menschen und Regierungen.

Ich erinnre daran: vor zehn Jahren, am 28 Januar 2005 stellte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem Wirtschaftsforum in Davos seine Agenda 2010 und seine Hartz-Gesetze  vor mit der sehr ehrlichen Bemerkung,  einen der „besten Niedriglohnsektoren in Europa“ geschaffen zu haben. Damals wurden auch die Rahmenbedingungen für die Kampfkraft der Gewerkschaften nachhaltig verschlechtert.

Das weiß heute kaum noch jemand, aber die Folgen dieser größten sozialen Deregulierung in der Geschichte der Bundesrepublik tragen wir bis zum heutigen Tag.

Wir Linke wollen, dass das Steuerrad wieder herumgedreht wird. Dazu tragen wir bei auf Bundesebene, auf Kommunalebene und, – das ist unser Ziel, ab 2016 auch als Landtagspartei in Baden-Württemberg.

Ab dem 1. Mai werden wir eine bundesweite Kampagne der LINKEN gegen prekäre Lebens und Arbeitsverhältnisse starten. Die zentralen fünf Eckpunkte dieser Kampagne sind:

– Befristung und Leiharbeit stop­pen.

– Mindestsicherung ohne Sanktionen statt Hartz IV.

– Arbeit umverteilen statt Dauerstress und Existenzangst.

– Wohnen & Energie bezahlbar machen.

– Mehr Personal für Bildung, Pflege und Gesund­heit.

Ich glaube, da haben wir in der Substanz sehr viel Berührung und viele Überschneidungen mit der Gewerkschaftsbewegung.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich wünsche meiner Gewerkschaft Ver.di, – ich wünsche Euch – viel Kraft und Erfolg bei den  Tarifauseinandersetzungen der nächsten Wochen und Monate.

Wir stehen an Eurer Seite. Danke.


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