Kommunalpolitiker gegen TTIP

19. April 2015  Gemeinderäte, Position, TTIP

Rede von Dr. Emanuel Peter, Mitglied des Gemeinderats Rottenburg und des Kreistags Tübingen, gehalten am Internationalen Aktionstag gegen TTIP am 18.4.2015 in Tübingen:

Was hat ein internationales Freihandelsabkommen zwischen zwei mächtigen Wirt­schaftsblöcken wie den USA und der EU mit unseren Städten und Gemeinden zu tun? Geht es bei TTIP nicht um die Beseitigung von Zollschranken und um Handels­schranken wegen unterschiedlicher Schlusslichter von PKW? Wenn dem so wäre, warum hat dann der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages Anfang des Jahres ein Rechtsgutachten veröffentlicht, das den Kommunen jegliches Mitspra­cherecht bei TTIP gesetzlich verbieten will?

In der Tat fassen immer mehr Kommunen Beschlüsse gegen dieses Geheimabkom­men, zum Beispiel der bayrische Städtetag und die vier großen Kommunalvertre­tungen, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Verband kommunaler Unternehmen. In Österreich sind es 129 Kommunen und fünf Landtage. Die bundesdeutsche Bewegung ist inzwischen so stark, dass sich ATTAC zum Ziel gesetzt hat, dass 10.000 Kommunen Resolutionen gegen TTIP fassen sollen.

Sie alle kritisieren, dass TTIP die kommunale Selbstverwaltung und die öffentliche Daseinsvorsorge aushöhlt und den Profitinteressen großer Konzerne unterwirft. Es geht um einen kommunalen Markt, der allein in Deutschland 400 Milliarden Euro jährlich umfasst. In den USA und der EU werden die Hälfte aller Güter und Dienst­leistungen weltweit produziert. Deshalb hätten multinationale Konzerne gern  die Kontrolle darüber, insbesondere über die Trinkwasser- und Abwasserversorgung, den Öffentlichen Personennahverkehr, Krankenhäuser, Kultureinrichtungen und die Ab­fallwirtschaft. Tübingens OB Boris Palmer hat deshalb zu Recht gewarnt, dass die In­nenstadt nicht mehr vor ausländischen Investoren geschützt werden kann, dass die Stadt keine Subventionen mehr für den Wohnungsbau, für die Altenhilfe, für Schwimmbäder oder den TüBus vergeben kann – so mager manche dieser Subventio­nen momentan auch sind. Wasser- und Stromnetze dürfen nicht mehr zurückgekauft und in öffentliche Hand zurückgeführt werden. Der bayrische Gemeindetag weist auf die Ratchetklausel hin. Danach dürfen Stadtwerke, die einmal an einen pri­vaten Investor verkauft wurden, niemals wieder rekommunalisiert werden.

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!

Wer glaubt, es gehe hier um Schwarzmalerei, dem möchte ich gern aus der französi­schen Zeitung „Le Monde diplomatique“ berichten. Sie hat bereits im Juni letzten Jahres ausführlich über die privaten Schiedsgerichte berichtet, die keiner demokrati­schen Kontrolle unterliegen und die in TTIP verankert werden sollen, obwohl weder die USA noch die EU Entwicklungsländer sind. Aber vielleicht ist das Demokratie­verständnis mancher Politiker in diesen beiden Großmächten sehr entwicklungsbe­dürftig. Le Monde diplomatique berichtet vom französischen Wasserkonzern Veolia, der eine Klage gegen den ägyptischen Staat vor einem internationalen Tribunal führt, einer Einrichtung der Weltbank. Ursache der Klage: Während des arabischen Früh­lings hatten die städtischen Beschäftigten der Wasserwerke in der Stadt Alexandria einen höheren Mindestlohn durchgesetzt. 72 Euro – nicht täglich, nicht wöchentlich, nein, monatlich 72 statt bisher 41 Euro. Ein Weltuntergang für Veolia, der sich um seine Investitionen geprellt fühlt.

Dies ist nur ein Beispiel, was die CDU und Sigmar Gabriel leugnen: TTIP führt nicht nur zu Milliardenklagen der Energiekonzerne wie Vattenfall, Eon, RWE und EnBW und verhindert eine regionale Energiewirtschaft. Er senkt Lohnstandards auch in kommunalen Betrieben. Denn die USA haben bis heute sechs der acht Kernarbeits­normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) noch nicht akzeptiert, darunter das Recht auf Vereinigungsfreiheit, das Frau Nahles aktuell angreift, und das Recht auf Kollektivverhandlungen.

Insbesondere greift TTIP die Daseinsvorsorge in den Kommunen an. Die Daseinsvor­sorge ist aber nichts anderes als die sozialen Menschenrechte der Vereinten Nationen auf der Ebene unseres Lebensortes: das Menschenrecht auf Wohnen mit Heizung und Strom, auf Trinkwasser, auf eine Grundversorgung für Gesundheit und Pflege, auf Mobilität. TTIP setzt das kommunale Selbstverwaltungsrecht, das im Grundgesetz verankert ist, außer Kraft. TTIP ist Merkels Ideal einer „marktgerechten Demokratie“ – für neoliberale Politiker ist Demokratie eine belanglose Spielwiese, aber nur solange, wie die Profitmacherei von Banken und Konzernen nicht gestört wird. Dieser Absurdität müssen wir unseren europaweiten Protest mithilfe der Gewerkschaften und der Kommunen entgegensetzen und den Widerstand zu einem Jahrhundert-Erfolg machen! Denn es steht viel auf dem Spiel!

Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit!


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