Der Heidenheimer Stadrat Reinhard Püschel beantragt, dass die Stadt Heidenheim Freihandelsabkommen, wie TTIP, ablehnt und diese Ablehnung politisch ausdrückt gegenüber Städtetag, Bundestag und Bundesregierung.
Deutsche Kommunistische Partei
DKP-Stadtrat Reinhard Püschel
Friedenstraße 8
89522 Heidenheim
Heidenheim, 15. 09. 2014
An den
Gemeinderat der Stadt Heidenheim,
Herrn Oberbürgermeister Bernhard Ilg
Rathaus Heidenheim
Antrag: Haushaltsberatung 2015 – Ablehnung TTIP, CETA und TiSA
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates,
bei den derzeit verhandelten „Freihandelsabkommen“ TTIP, CETA und TiSA handelt
es sich um eine „neue Generation“ von bi- und multilateralen Handelsverträgen, die
eine Machtverschiebung zum Ziel haben, weg von demokratisch gewählten
Politikern, hin zu multinationalen Konzernen. Diese Art von Verträgen stellen einen
massiven Eingriff in unsere kommunale Gestaltungshoheit und unsere kommunale
Selbstverwaltung dar.
Antrag:
Beschluss:
1. Der Gemeinderat der Stadt Heidenheim lehnt TTIP, CETA und
TiSA in der derzeit bekannten Form ab.
2. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, diese ablehnende Haltung gegenüber dem Deutschen Städtetag auszudrücken,
– den Mandatsträgern und Mandatsträgerinnen im Europäischen Parlament,
im Bund und im Land bekannt zu geben und sie aufzufordern, den
Abkommen in der derzeit bekannten Form nicht zuzustimmen,
– der Bundeskanzlerin und dem Bundeswirtschaftsministerium gegenüber zum
Ausdruck zu bringen,
– die Öffentlichkeit davon in Kenntnis zu setzen.
Begründung:
Es gibt verschiedene Aspekte, von denen wir als Kommunen direkt betroffen wären:
1. Demokratie und Transparenz – Transatlantisches Freihandelsabkommen
TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership)
Derzeit finden zwischen der EU und den USA Geheimverhandlungen zum
Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and
Investment Partnership) statt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zugang zu den
Dokumenten haben hingegen 600 Vertreter von Großkonzernen. Nicht einmal die
EU-Abgeordneten haben uneingeschränkten Zugang zu den Dokumenten. Und
obwohl Städte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die kommunalen
Spitzenverbände (Städte- und Gemeindetag, sowie Landkreistag) nicht in die
Verhandlungen eingebunden. Dies entspricht nicht unserem Verständnis von
Demokratie. Vielmehr muss die Einbeziehung in die Verträge so frühzeitig erfolgen,
dass die Gestaltungsfähigkeit gegeben ist.
Daher fordern wir einen vollständigen Einblick in alle Verhandlungsdokumente,
sowie die Einbeziehung in die Verhandlungen.
Dies fordern wir für TTIP, CETA und TiSA.
2. Investitionsschutz für Konzerne
(Dieser Punkt betrifft sowohl TTIP, wie auch CETA. TiSA enthält nach bisherigem
Wissensstand keinen Investorenschutz.)
Internationale Konzerne erhalten ein Sonderklagerecht gegen demokratisch
beschlossene Gesetze. Zwischen Staaten mit funktionierendenen Rechtssystemen
ist eine Investitionsschutzklausel überflüssig. Vielmehr stellen „private
Schiedsgerichte“ ein Parallelrechtssystem dar, das grundlegende Prinzipien des
Rechtsstaates unterläuft und Konzerne mächtiger macht als demokratisch
gewählte Regierungen.
Da sogar die Beschlüsse von Gemeinden Anlass für solche Klagen sein können,
würde dies dazu führen, dass wir uns in vorauseilendem Gehorsam, bei jedem
unserer Beschlüsse überlegen müssten, ob sie eventuell die Gewinnerwartung
eines Konzerns schmälern würden und somit eine Klage gegen den Staat nach
sich ziehen könnten.
Angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Investor-Staat-
Klagen sprunghaft angestiegen ist, stellen wir uns die Frage, wie viele solcher
Klagen sich ein Staat, eine Stadt oder eine Gemeinde leisten kann? Wer bezahlt?
Der Bund, die Stadt oder die Gemeinde?
Einen solchen Eingriff in unsere kommunale Entscheidungshoheit lehnen wir ab!
3. Kommunale Daseinsvorsorge, öffentliches Beschaffungswesen,
Dienstleistungssektor und Kommunale Selbstverwaltung
Kommunale Daseinsvorsorge (z.B. Wasserver- und Abwasserentsorgung, Energie)
Da bei diesen Arten von Handelsabkommen typischerweise die Regeln zum
grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen und der Schutz ausländischer
Investoren im Fokus stehen, ist zu befürchten, dass sie sich negativ auf die
Organisationshoheit der Kommunen und die kommunale Handlungsautonomie
auswirken.
Öffentliches Beschaffungswesen (in den USA schon weitgehend privatisiert)
TTIP und CETA würden die kommunale Organisationsautonomie gefährden.
Mittelständische Unternehmen vor Ort dürften nicht mehr bevorzugt werden.
Dadurch käme es zu einer Minderung der Gewerbesteuereinnahmen und einer
Schwächung der lokalen Unternehmen.
Dienstleistungssektor (Bauwesen, Transportwesen, Gesundheit, soziale
Dienstleistungen …..)
Immer mehr Bereiche des öffentlichen Dienstleistungssektors werden zum
„allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“ deklariert. Dadurch werden die
Gebietskörperschaften gezwungen, diese, gemäß einer
„Marktzugangsverpflichtung“, im Wettbewerbsverfahren (künftig weltweit?)
auszuschreiben. Das Gemeinwohl muss in diesen sensiblen Bereichen weiterhin im Vordergrund stehen.
Kommunale Selbstverwaltung
—————————————-
Obwohl die EU laut Lissabon-Vertrag und gemäß Subsidiaritätsprinzip nicht in die
kommunale Selbstverwaltung eingreifen darf, duldet unsere Bundesregierung mit
den Verträgen diesen Gesetzesübertritt und befördert ihn sogar noch.
(Anmerkung: Bei TiSA handelt es sich um ein „Abkommen zum Handel mit
Dienstleistungen“. Der Bereich des Beschaffungswesens ist nicht Teil der
Verhandlungen.)
4. Positivlisten-Ansatz / Negativlisten-Ansat
Es gibt zwei Modelle der Liberalisierung.
Der Positivlisten-Ansatz besagt, dass nur die Bereiche der kommunalen
Daseinsvorsorge/ des Dienstleistungsbereiches der Liberalisierungspflicht
unterliegen, die ausdrücklich in die Liste der Zugeständnisse aufgenommen
werden.
Beim Negativlisten-Ansatz hingegen sind alle Bereiche von den
Liberalisierungsverpflichtungen des Abkommens erfasst, die nicht ausdrücklich
ausgenommen sind. Es ist zu befürchten, dass TTIP, CETA und TiSA einen sog.
Negativlisten-Ansatz verfolgen.
5. Stillstandsklausel und Ratchet-Klausel
Alle drei Handelsabkommen enthalten sowohl die Stillstands-, wie auch die
Ratchetklausel. Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen
Status der Liberalisierung dieser nie wieder angehoben werden darf. Die
Ratchetklausel besagt, dass ein staatliches Unternehmen, wie etwa die
Stadtwerke, das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, niemals wieder
rekommunalisiert werden darf.
Es hat sich in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass – aus guten Gründen –
zahlreiche Privatisierungen öffentlicher Güter wieder in die öffentliche Hand
zurückgeführt wurden.
Daher lehnen wir solche „Endgültigkeitsklauseln“ ab. Vielmehr ist zu beanstanden,
dass keine generelle Austrittsklausel formuliert wurde.
6. Living Agreement und Rat für Regulatorische Kooperation
Im Oktober 2013 hielt EU-Handelskommissar Karel de Gucht eine Rede in Prag, in
der er vorschlug, TTIP solle einen regulatorischen Kooperationsrat einrichten.(1)
Die EU-Kommission plant nun in der Tat die Etablierung eines „Regulierungsrates“,
in dem EU- und US-Behörden mit Konzern-Lobbyisten zusammenarbeiten, um
Regulierungsmaßnahmen zu diskutieren und gegebenenfalls Standards zu
lockern. Die Beteiligung Kommunaler Spitzenverbände ist nicht vorgesehen.(2)
In einer Rede am Aspen Institute in Prag (1) bezeichnete Karel de Gucht das
Abkommen darüber hinaus als „lebendes Abkommen“, was nichts anderes
bedeutet, als dass sich die Verhandlungspartner auf ein allgemeines
Rahmenabkommen einigen und die Details (z.B. Absenkung der Standards) dann
in einem Ausschuss (im Nachhinein) weiterverhandeln. All dies geschieht am
Europaparlament vorbei und entzieht sich dadurch jeglicher demokratischen
Kontrolle.
(Anmerkung: Sowohl TTIP, wie auch CETA sollen „lebende Abkommen“ werden
und einen „Regulierungssrat“ erhalten. Nach bisherigen Wissensstand sind diese
beiden Punkte nicht Teil der Verhandlungen bei TiSA.)
(1) (http De Gucht, Karel 2013: Transatlantic Trade and Investment Partnership – Solving the Regulatory
Puzzle, Rede beim Aspen Institute Prag, 10. Oktober 2013)
(2) (European Commission 2013: TTIP: Cross-Cutting disciplines and institutional provisions. Position paper –
Chapter on Regulatory Coherence, http://corporateeurope.org/sites/default/files/ttip-regulatory-coherence-2-12-
2013.pdf)
Für Vereinbarungen, die derart weitreichend in die Staatliche und
Kommunale Regulierungshoheit eingreifen bedarf es Standards der
Transparenz und der demokratischen Legitimation, auch wenn es sich um
Internationale Abkommen handelt. Deswegen fordern wir die Einbeziehung
der Öffentlichkeit, sowie eine sofortige Beteiligung der kommunalen
Spitzenverbände.
Aus den genannten Gründen lehnen wir diese „neue Generation“ von
Handelsabkommen ab und setzen uns bei den entscheidenden Stellen dafür
ein, die Abkommen in der derzeit bekannten Form abzulehnen. Darüber
hinaus appellieren wir an andere Landkreise, ebenso zu verfahren.
Ich bitte um die Zustimmung des Antrags
Mit freundlichem Gruß
Reinhard Püschel
Anmerkung: Obiger Beschlussantrag ist angelehnt an den Beschluss der Bürgermeister des Kreisverbandes Roth des Bayerischen Gemeindetages vom Juni 2014
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