Antrag: Heidenheim gegen TTIP

25. Oktober 2014  Antrag, Gemeinderäte, TTIP

Der Heidenheimer Stadrat Reinhard Püschel beantragt, dass die Stadt Heidenheim Freihandelsabkommen, wie TTIP, ablehnt und diese Ablehnung politisch ausdrückt gegenüber Städtetag, Bundestag und Bundesregierung.

Deutsche Kommunistische Partei

DKP-Stadtrat Reinhard Püschel

Friedenstraße 8

89522 Heidenheim

 

Heidenheim, 15. 09. 2014

 

An den

Gemeinderat der Stadt Heidenheim,

Herrn Oberbürgermeister Bernhard Ilg

 

Rathaus Heidenheim

 

 

 

 

Antrag:         Haushaltsberatung 2015 – Ablehnung TTIP, CETA und TiSA

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates,

 

bei den derzeit verhandelten „Freihandelsabkommen“ TTIP, CETA und TiSA handelt

es sich um eine „neue Generation“ von bi- und multilateralen Handelsverträgen, die

eine Machtverschiebung zum Ziel haben, weg von demokratisch gewählten

Politikern, hin zu multinationalen Konzernen. Diese Art von Verträgen stellen einen

massiven Eingriff in unsere kommunale Gestaltungshoheit und unsere kommunale

Selbstverwaltung dar.

 

Antrag:

Beschluss:

1.         Der Gemeinderat der Stadt Heidenheim lehnt TTIP, CETA und

TiSA in der derzeit bekannten Form ab.

 

2.         Die Stadtverwaltung wird beauftragt, diese ablehnende Haltung gegenüber dem Deutschen Städtetag auszudrücken,

–           den Mandatsträgern und Mandatsträgerinnen im Europäischen Parlament,

im Bund und im Land bekannt zu geben und sie aufzufordern, den

Abkommen in der derzeit bekannten Form nicht zuzustimmen,

–           der Bundeskanzlerin und dem Bundeswirtschaftsministerium gegenüber zum

Ausdruck zu bringen,

–           die Öffentlichkeit davon in Kenntnis zu setzen.

 

Begründung:

Es gibt verschiedene Aspekte, von denen wir als Kommunen direkt betroffen wären:

 

1. Demokratie und Transparenz – Transatlantisches Freihandelsabkommen

TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership)

Derzeit finden zwischen der EU und den USA Geheimverhandlungen zum

Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and

Investment Partnership) statt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zugang zu den

Dokumenten haben hingegen 600 Vertreter von Großkonzernen. Nicht einmal die

EU-Abgeordneten haben uneingeschränkten Zugang zu den Dokumenten. Und

obwohl Städte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die kommunalen

Spitzenverbände (Städte- und Gemeindetag, sowie Landkreistag) nicht in die

Verhandlungen eingebunden. Dies entspricht nicht unserem Verständnis von

Demokratie. Vielmehr muss die Einbeziehung in die Verträge so frühzeitig erfolgen,

dass die Gestaltungsfähigkeit gegeben ist.

Daher fordern wir einen vollständigen Einblick in alle Verhandlungsdokumente,

sowie die Einbeziehung in die Verhandlungen.

Dies fordern wir für TTIP, CETA und TiSA.

 

2. Investitionsschutz für Konzerne

(Dieser Punkt betrifft sowohl TTIP, wie auch CETA. TiSA enthält nach bisherigem

Wissensstand keinen Investorenschutz.)

Internationale Konzerne erhalten ein Sonderklagerecht gegen demokratisch

beschlossene Gesetze. Zwischen Staaten mit funktionierendenen Rechtssystemen

ist eine Investitionsschutzklausel überflüssig. Vielmehr stellen „private

Schiedsgerichte“ ein Parallelrechtssystem dar, das grundlegende Prinzipien des

Rechtsstaates unterläuft und Konzerne mächtiger macht als demokratisch

gewählte Regierungen.

Da sogar die Beschlüsse von Gemeinden Anlass für solche Klagen sein können,

würde dies dazu führen, dass wir uns in vorauseilendem Gehorsam, bei jedem

unserer Beschlüsse überlegen müssten, ob sie eventuell die Gewinnerwartung

eines Konzerns schmälern würden und somit eine Klage gegen den Staat nach

sich ziehen könnten.

Angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Investor-Staat-

Klagen sprunghaft angestiegen ist, stellen wir uns die Frage, wie viele solcher

Klagen sich ein Staat, eine Stadt oder eine Gemeinde leisten kann? Wer bezahlt?

Der Bund, die Stadt oder die Gemeinde?

Einen solchen Eingriff in unsere kommunale Entscheidungshoheit lehnen wir ab!

 

3. Kommunale Daseinsvorsorge, öffentliches Beschaffungswesen,

Dienstleistungssektor und Kommunale Selbstverwaltung

Kommunale Daseinsvorsorge (z.B. Wasserver- und Abwasserentsorgung, Energie)

Da bei diesen Arten von Handelsabkommen typischerweise die Regeln zum

grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen und der Schutz ausländischer

Investoren im Fokus stehen, ist zu befürchten, dass sie sich negativ auf die

Organisationshoheit der Kommunen und die kommunale Handlungsautonomie

auswirken.

Öffentliches Beschaffungswesen (in den USA schon weitgehend privatisiert)

TTIP und CETA würden die kommunale Organisationsautonomie gefährden.

Mittelständische Unternehmen vor Ort dürften nicht mehr bevorzugt werden.

Dadurch käme es zu einer Minderung der Gewerbesteuereinnahmen und einer

Schwächung der lokalen Unternehmen.

Dienstleistungssektor (Bauwesen, Transportwesen, Gesundheit, soziale

Dienstleistungen …..)

Immer mehr Bereiche des öffentlichen Dienstleistungssektors werden zum

„allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“ deklariert. Dadurch werden die

Gebietskörperschaften gezwungen, diese, gemäß einer

„Marktzugangsverpflichtung“, im Wettbewerbsverfahren (künftig weltweit?)

auszuschreiben. Das Gemeinwohl muss in diesen sensiblen Bereichen weiterhin im Vordergrund stehen.

 

Kommunale Selbstverwaltung

—————————————-

Obwohl die EU laut Lissabon-Vertrag und gemäß Subsidiaritätsprinzip nicht in die

kommunale Selbstverwaltung eingreifen darf, duldet unsere Bundesregierung mit

den Verträgen diesen Gesetzesübertritt und befördert ihn sogar noch.

(Anmerkung: Bei TiSA handelt es sich um ein „Abkommen zum Handel mit

Dienstleistungen“. Der Bereich des Beschaffungswesens ist nicht Teil der

Verhandlungen.)

 

4. Positivlisten-Ansatz / Negativlisten-Ansat

Es gibt zwei Modelle der Liberalisierung.

Der Positivlisten-Ansatz besagt, dass nur die Bereiche der kommunalen

Daseinsvorsorge/ des Dienstleistungsbereiches der Liberalisierungspflicht

unterliegen, die ausdrücklich in die Liste der Zugeständnisse aufgenommen

werden.

Beim Negativlisten-Ansatz hingegen sind alle Bereiche von den

Liberalisierungsverpflichtungen des Abkommens erfasst, die nicht ausdrücklich

ausgenommen sind. Es ist zu befürchten, dass TTIP, CETA und TiSA einen sog.

Negativlisten-Ansatz verfolgen.

 

5. Stillstandsklausel und Ratchet-Klausel

Alle drei Handelsabkommen enthalten sowohl die Stillstands-, wie auch die

Ratchetklausel. Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen

Status der Liberalisierung dieser nie wieder angehoben werden darf. Die

Ratchetklausel besagt, dass ein staatliches Unternehmen, wie etwa die

Stadtwerke, das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, niemals wieder

rekommunalisiert werden darf.

Es hat sich in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass – aus guten Gründen –

zahlreiche Privatisierungen öffentlicher Güter wieder in die öffentliche Hand

zurückgeführt wurden.

Daher lehnen wir solche „Endgültigkeitsklauseln“ ab. Vielmehr ist zu beanstanden,

dass keine generelle Austrittsklausel formuliert wurde.

 

6. Living Agreement und Rat für Regulatorische Kooperation

Im Oktober 2013 hielt EU-Handelskommissar Karel de Gucht eine Rede in Prag, in

der er vorschlug, TTIP solle einen regulatorischen Kooperationsrat einrichten.(1)

Die EU-Kommission plant nun in der Tat die Etablierung eines „Regulierungsrates“,

in dem EU- und US-Behörden mit Konzern-Lobbyisten zusammenarbeiten, um

Regulierungsmaßnahmen zu diskutieren und gegebenenfalls Standards zu

lockern. Die Beteiligung Kommunaler Spitzenverbände ist nicht vorgesehen.(2)

In einer Rede am Aspen Institute in Prag (1) bezeichnete Karel de Gucht das

Abkommen darüber hinaus als „lebendes Abkommen“, was nichts anderes

bedeutet, als dass sich die Verhandlungspartner auf ein allgemeines

Rahmenabkommen einigen und die Details (z.B. Absenkung der Standards) dann

in einem Ausschuss (im Nachhinein) weiterverhandeln. All dies geschieht am

Europaparlament vorbei und entzieht sich dadurch jeglicher demokratischen

Kontrolle.

(Anmerkung: Sowohl TTIP, wie auch CETA sollen „lebende Abkommen“ werden

und einen „Regulierungssrat“ erhalten. Nach bisherigen Wissensstand sind diese

beiden Punkte nicht Teil der Verhandlungen bei TiSA.)

 

(1) (http De Gucht, Karel 2013: Transatlantic Trade and Investment Partnership – Solving the Regulatory

Puzzle, Rede beim Aspen Institute Prag, 10. Oktober 2013)

(2) (European Commission 2013: TTIP: Cross-Cutting disciplines and institutional provisions. Position paper –

Chapter on Regulatory Coherence, http://corporateeurope.org/sites/default/files/ttip-regulatory-coherence-2-12-

2013.pdf)

 

 

Für Vereinbarungen, die derart weitreichend in die Staatliche und

Kommunale Regulierungshoheit eingreifen bedarf es Standards der

Transparenz und der demokratischen Legitimation, auch wenn es sich um

Internationale Abkommen handelt. Deswegen fordern wir die Einbeziehung

der Öffentlichkeit, sowie eine sofortige Beteiligung der kommunalen

Spitzenverbände.

Aus den genannten Gründen lehnen wir diese „neue Generation“ von

Handelsabkommen ab und setzen uns bei den entscheidenden Stellen dafür

ein, die Abkommen in der derzeit bekannten Form abzulehnen. Darüber

hinaus appellieren wir an andere Landkreise, ebenso zu verfahren.

 

Ich bitte um die Zustimmung des Antrags

 

Mit freundlichem Gruß

 

Reinhard Püschel

 

Anmerkung: Obiger Beschlussantrag ist angelehnt an den Beschluss der Bürgermeister des Kreisverbandes Roth des Bayerischen Gemeindetages vom Juni 2014


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