Ausgaben drohen Einnahmen zu überflügeln – Finanzierungssaldo bricht unerwartet ein

31. Januar 2015  Allgemein, Finanzen & Haushalt

Schmid, Willi/Müller, Fabian/ Reif, Karl: Kommunalfinanzen 2013/2015: „Ausgaben drohen Einnahmen zu überflügeln – Finanzierungssaldo bricht unerwartet ein“. In: Die Gemeinde (Zeit­schrift für die Städte und Gemeinden. Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg, BWGZ 15-16/ 2014, S. 828-904).

Vorbemerkungen (828-830): Geschrieben ist der aktuelle Bericht vor dem Hintergrund einer zu op­timistischen Prognose von 2013, die für 2013 ein Plus von 1,5 Mrd. Euro annahm – tatsächlich ist das Plus um eine Milliarde kleiner auf 415 Mio. Euro ausgefallen. Ursachen sind große Nachholin­vestitionen von ca. 500 Mio. Euro, ein höherer Personalaufwand (plus 385 Mio. Euro, besonders für Kitas!), höhere Sozial- und Jugendhilfe sowie höhere Energiekosten (828). Der Gemeindetag fühlt sich in den Verhandlungen über die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern über­gangen und fordert Neuverhandlungen über die Kita-Finanzierung vor der Landtagswahl 2016 und eine Beteiligung bei den Verhandlungen über die steigenden Sozialausgaben.  „Im Übrigen ist fest­zustellen, dass positive Finanzierungssalden oftmals auch auf das Unterlassen notwendigster Inves­titionen zurückzuführen sind.“ (829)

Kap. 1: Die Kommunalfinanzen 2013 in Bund und im Land (830-863): Das Plus von 8,6 Mrd. Euro bei den Einnahmen der Kommunen auf BUNDESEBENE ist vor allem höheren Steuereinnah­men zuzuschreiben (plus 3,2%), allerdings mit großen Unterschieden zwischen Ost und West: Wäh­rend der neuen Bundes­länder ihr Defizit in ein Plus verwandeln konnten, liegt das Finanzierungsde­fizit im Westen aufsum­miert für die Jahre 2000-2013 bei 18,6 Mrd. Euro mit dem Spitzenreiter Nordrhein-Westfalen bei 13,6 Mrd. Euro: „Außerdem besteht in Hessen, Rheinland-Pfalz, im Saar­land und in Schles­wig-Holstein nach wie vor ein Finanzierungsdefizit.

Bei den Steuereinnahmen wurde das Vorkrisenniveau von 2008 dauerhaft überschritten mit 76,8 Mrd. Euro: „Wie schon im Jahr 2012 hatte auch 2013 der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer bundesweit den größten Zuwachs mit 1,56 Mrd. Euro (plus 5,8 Prozent) auf 28,4 Mrd. Euro, wäh­rend die Gewerbesteuer netto um nur noch 0,34 Mrd. Euro (plus 1,1 Prozent) auf 32,6 Mrd. Euro anstieg.“ (831) Es erhöhten sich auch der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer, die Einnahmen aus der Grundsteuer und aus Gebühren. Gleichzeitig stiegen die Schlüsselzuweisungen der Länder an die Kommunen um 6,7 Prozent bzw. 1,85 Mrd. Euro auf 29,44 Mrd. Euro.

Bei den Ausgaben nahmen die Personalausgaben durch Tariferhöhungen und den Kita-Ausbau über­proportional zu, so dass z.B. BaWü nach Brandenburg den zweithöchsten Stand mit 768 Euro für Personal aufweist (833). Ausgaben für soziale Leistungen stiegen um 5,7 Prozent und erreichten 47 Mrd. Euro. Dagegen sind die Zinsausgaben um 6 Prozent auf 3,8 Mrd. Euro gefallen (833; uner­wähnt bleibt, dass der Bund durch die fallenden EZB-Zinsen seit 2008 bereits 120 Mrd. Euro weni­ger zahlen musste, davon allein 2013 ca. 37 Mrd. Euro weniger. Betrugen 2007 vor der Finanzkrise die dt. Staatsanleihen von 4,3 Prozent, waren es 2013 nur noch 2,6 Prozent. Lauf ZDF ist dies neben den Steuermehreinnahmen der Hauptgrund für ein kleineres Hanshaltsdefizit: ZDF-Infotafel vom 10.8.2014).

In der Kapitalrechnung zeigt sich ein Anstieg der kommunalen Sachinvestitionen, nachdem diese in den zwei Jahren zuvor zurückgegangen waren. Dabei handelt es sich um Nachholinvestitionen und die Kommunalverschuldung hat sich 2013 sogar noch erhöht und bleibt bundesweit „besorgniserre­gend hoch“ (836), denn 35 Prozent der Schulden sind Kassenkredite und bedeuten, dass die Kom­munen nicht in der Lage sind, „den laufenden Betrieb aus eigener Kraft zu finanzieren“ (837). Den­noch ist die Verschuldung der Länder fünfmal und die des Bundes fast zehnmal so hoch wie die der Kommunen (Graphik: 838)!

Die KOMMUNALE FINANZSITUATION IN BAWÜ zeigt sich exemplarisch an der Entwick-lung des (positiven) Finanzierungssaldos: Betrug es 2012 noch 2,274 Mrd. Euro, so 2013 nur noch 451,1 Mio. Euro! Die gesamten EINNAHMEN gliedern sich im Wesentlichen in Steuern 43,8 Pro­zent (12,621 Mrd. Euro), Schlüsselzuweisungen und Erstattungen durch Land/ Bund 38,3 Prozent (11,02 Mrd. Euro) und 10,5 Prozent aus Gebühren, Verkäufen, Mieten usw. (3,021 Mrd. Euro). Ge­ringer wuchsen Einnahmen aus Steuern, aus Schlüsselzuweisungen. Die Gefahren der starken Ex­portabhängigkeit von BaWü zeigte sich in der Finanzkrise, als die Steuern 2009 um 15 Prozent ins­gesamt, die Gewerbesteuer sogar um 24,6 Prozent fielen. Seit 2010 wuchsen die Steuereinnah­men wieder kräftig, aktuell verlangsamt sich der Anstieg deutlich auf 1,7 Prozent  in 2013 (841). Dabei sind die Hauptanteile des KOMMUNALEN STEUERAUFKOMMENS 2013 die Gewer­besteuer mit knapp 41 Prozent (5,145 Mrd. Euro), der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer mit 39,8 Prozent (5 Mrd.) und dem Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer 4,33 Prozent (544 Mio. Euro) und der Grundsteuer B mit 12,66 Prozent (1,589 Mrd. Euro): „Seit 2011 hat die Gewerbesteu­er (netto) wieder das größte Gewicht.“ Jedoch ist die Brutto-Gewerbesteuer 2013 um 3,6 Prozent oder um 236 Mio. Euro gesunken, es liegt unter dem Bundesdurchschnitt (842) und bleibt hinter dem geringeren Wirtschaftswachstum zurück. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es regional, örtlich und branchenbezogen sehr unterschiedlich ausfällt, so das 601 Kommunen einen Anstieg hatten und 500 Kommunen Verluste. Dabei schlagen Gewinne und Verluste durch die Gewerbe­steuerumlage des Kommunalen Finanzausgleichs erst zwei Jahre später zu Buche (843).

Die Steigerung des Gemeindeanteils an der Einkommenssteuer um 7,8 Prozent (360 Mio. Euro) führen d.Verf. auf den (verlangsamten) konjunkturellen Aufstieg zurück: Die Zahl der sozialversi­cherungspflichtigen Beschäftigten wuchs bei gleichbleibender Arbeitslosenzahl nur noch um 1,5 Prozent, die Bruttolohnsumme allerdings um 3,2 Prozent. An dem um 6,1 Prozent gestiegenen Lohnsteueraufkommen (plus 1,546 Mrd. Euro) partizipieren die Kommunen durch den 15-prozenti­gen Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer: „Zusätzlich hat sich das Aufkommen der veranlag­ten Einkommenssteuer in BaWü sehr stark um 1,166 Mrd. Euro erhöht (die Steigerungsrate liegt mit 18,18 Prozent über der bundesdurchschnittlichen Zunahme von 13,46 Prozent) ..“ (845).  Der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer hat sich nur um 1,1 Prozent auf 544 Mio. Euro erhöht (trotz guter Binnenkonjunktur!). Bei den übrigen Steuerarten ist die Grundsteuer sehr stabil, während die Grundsteuer A abgenommen hat, nahm die Grundsteuer B zu. Die Zunahme bei den sonstigen Steu­ern ist vor allem auf die Vergnügungssteuer zurückzuführen (848).

Wichtiger sind die SCHLÜSSELZUWEISUNGEN und der kommunale FINANZAUSGLEICH: Das Land beteiligt die Kommunen am Landesanteil an den Gemeinschaftssteuern (Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer) und an der Gewerbesteuerumlage, zieht aber von seinem Beitrag vorab seinen Beitrag an den Länderfinanzausgleich ab, so dass die Kommunen diesen indirekt mit­finanzieren. Dieser Landesanteil ist die eine Hälfte im KOMMUNALEN FINANZAUS-GLEICH, die andere bringen die Kommunen selbst ein. Aber ihr Anteil wird vom Land um 11,56 Prozent als Anteil am Landeshaushalt gekürzt (848, vgl. Schema: Mittelaufbringung und Mittelver­teilung: 850). Beide Teile bilden dann die Finanzausgleichsmasse, die 2013 um 3,15 Prozent stieg (239 Mio. Euro) und damit ein Gesamtvolumen von 7,83 Mrd. Euro hatte. Zieht man die vom Land abgezogenen Anteile ab, so zeigt sich, dass der Anstieg der Ausgleichsmasse allein den Kommunen zu verdanken ist, die 2013 „mit 35,98 Prozent zur Finanzierung der kommunalen Finanzausgleichs­masse selbst“ beitrugen und damit „bundesweit ein absolutes Novum“ darstellen (849). Insgesamt hat sich damit die Schlüsselmasse 2013 auf 4,434 Mrd. Euro und der Grundkopf-betrag an die Ge­meinden auf 1.020 Euro pro Einwohner erhöht. Dies gilt auch für die Fördermittel für die Klein­kindbetreuung: Nach dem abgeschlossenen „Pakt für Familien mit Kindern“ vom Dezember 2011 stieg der ursprüngliche Förderbetrag von 4.292,17 Euro pro Kind auf 12.591,37 Euro (851), das Personal in den Kita-Einrichtungen stieg von 20.297 Vollzeitäquivalenten (2011) auf 23.972 VZÄ, verteilt auf 30.505 Personen (854). Dies trug wesentlich dazu bei, dass die Personalausgaben um 5,2 Prozent auf 7,750 Mrd. Euro anstiegen und es insgesamt 4.408 mehr kommunale Beschäftigte gab. Wichtig ist, dass nach Abzug der laufenden Ausgaben der für investive Zwecke und für den Schul­dendienst vorgesehene Finanzüberschuss auf 3,282 Mrd. Euro gesunken ist (853).

Die Personalausgaben hatten 2013 mit 5,2 Prozent einen stärkeren Zuwachs als in den vorigen Jah­ren und erreichten 7.750 Mrd. Euro. Dazu trug besonders den Anstieg der Beschäftigten um 4.408 Personen auf 176.061 Beschäftigte bei (853).

Die SOZIALLEISTUNGEN stiegen auch 2013 um 9,17 Prozent auf 5.512 Mrd. Euro überpro­por-tional an – trotz guter Konjunktur (i.e. Die „gute Konjunktur“ führt keineswegs automatisch zur Entschärfung der sozialen Spaltung)! Die Leistungen im Rahmen des ALG II und die Kosten für Unterkunft (KdU) trugen wesentlich dazu bei, ebenso die Jugendhilfe mit plus 5,29 Prozent auf 878,7 Mio. Euro. Auch wenn die Sozialausgaben der Kommunen bundesweit am niedrigsten sind, deckten sie 2013 gerade einmal die KREISUMLAGE. Deren Anstieg führte dazu, dass 21 der 35 Landkreise ihren Hebesatz 2013 gesenkt haben. Wichtiger als der Gesamtbetrag ist jedoch eine ein­wohnerbezogene Betrachtung, von 572 Euro/ Einwohner im LK Böblingen bis zu 278 Euro/ Ein­wohner im LK Karlsruhe. Zu diesen großen Unterschieden kommt es durch unterschiedliche Sozial­strukturen, Ausgaben für den ÖPNV, Defizite für Krankenhäuser und die neun OEW-Land­kreise, die 46,55 Prozent der Aktien an der ENBW halten (858).

Auch 2013 gab es bei den VERMÖGENSHAUSHALTEN einen Überschuss, „der mit 183 Mio. Euro um -91 Prozent oder -1.844 Mrd. Euro deutlich geringer ausfiel als 2012“ (858), d.h. die Über­schüsse und die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen haben sich verringert. Trotzdem haben die Kommunen den Investitionsstau abgebaut, indem sie 2013 ihre Ausgaben um insgesamt 21 Pro­zent, die Bauausgaben um 16,5 Prozent (Straßenbau, Schulen, Kitas) gesteigert haben. Dies ist eine Folge davon, „dass (in der Vorjahren) notwendige Erneuerungen beim kommunalen Infrastruktur­vermögen ausgesetzt oder auf die lange Bank geschoben werden mussten“.

Das wichtigste Bemessungskriterium für die Finanzkraft der Kommunen ist die NETTO-INVESTI­TIONSRATE, d.h. die „Zuführung vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt und die Entwick­lung der nach Abzug der Kredittilgung für investive Zwecke zur Verfügung stehende“ Mittel. Die gesetzliche Grundlage sieht vor, dass „die Zuführung vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt mindestens so hoch sein (muss), dass daraus die ordentliche Kredittilgung und etwaige Kreditbe­schaffungskosten (z.b. ein Disagio) bestritten werden können“ (861). Anhand der Zahlen zeigt sich, dass dieser Betrag nach dem Einbruch 2009-2010 sich positiv entwickelt hatte, um 2013 wieder zu sinken! Obwohl also die Finanzkraft der Kommunen gesunken ist, sind ihre Schulden in der Kern­haushalten um 222 Mio. Euro gesenkt worden. Davon müssen die gestiegenen Schulden für die EI­GENBETRIEBE strikt unterschieden werden. Dabei handelt es sich um systemimmanente „rentier­liche Schulden“, die erstens den Kernhaushalt nicht belasten und zweitens durch spätere Gebühren­einnahmen ausgeglichen werden: „In heutiger Zeit ist dagegen die Zunahme der Verschuldung in erster Linie auf die gebührenrechtlich im Abwasserbereich fehlende Möglichkeit, Gewinne zu er­zielen und Eigenkapital für spätere Investitionen anzusammeln, zurückzuführen.“ (862)

Die Entwicklung der Kommunalfinanzen im Jahr 2014 ist charakterisiert durch eine deutliche Abnahme des Wirtschaftswachstums, so dass die Steuereinnahmen nur noch gering steigen, die In­vestitionsausgaben bei 4,8 Mrd. Euro verharren werden und eine Verschiebung zugunsten der Bauinvestitionen stattfinden wird – und das „vor dem Hintergrund des nach wie vor hohen Investi­tionsrückstandes“ (863). Daraus ergibt sich für 2014 ein Finanzierungssaldo von minus 35o Mio. Euro. Bundesweit sollen die kommunalen Steuereinnahmen 2014 um 3,7 Prozent steigen, 2015 so­gar um 5,0 Prozent. Damit würde der Anteil der Steuereinnahmen 40 Prozent der Gesamteinnahmen ausmachen. Die SOZIALLEISTUNGEN werden bis 2017 auf mehr als 54 Mrd. Euro ansteigen.

In ihrer Frühjahrsprojektion ging die Bundesregierung noch von einem Anstieg des realen Bruttoso­zialprodukts von 1,9 Prozent (2014) und 2,0 Prozent (2015) aus, basierend auf einem ’soliden Auf­schwung‘ und der Binnenwirtschaft als treibender Kraft. Dies vor allem wegen dem Anstieg der pri­vaten Haushalte, der Netto-Löhne und der Beschäftigung. Auch die Exporte sollen 2014 um 4,1 Prozent zunehmen. Für Baden-Württemberg hätte dies einen Anstieg des BIP im ersten Quartal von 2,75 Prozent bedeutet und angesichts fast unveränderter rechtlichen Steuerrahmenbedingungen einen Rückgang der Schuldenquote (Schuldenbremse!) von ca. 65 Prozent im Jahr 2018. (Inzwi­schen ist dies alles Makulatur!)

Laut Mai-Steuerschätzung 2014 kann der öffentliche Gesamthaushalt aus Bund, Ländern und Ge­meinden 2014 bei den Steuern mit Mehreinnahmen von 20,2 Mrd. (plus 3,3 Prozent) rechnen, für die Kommunen allein um 3,6 Prozent auf insgesamt 87,6 Mrd. Euro. Dies setzt sich 2015 mit plus 2,8 Mrd. Und 2016 mit plus 4,2 Mrd. Euro fort (verglichen mit der Novemberschätzung von 2013: 867). Diese Steigerung setzt sich im Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer fort, im Jahr 2014 bei insgesamt 32,57 Mrd. Euro (plus 5,2 Prozent), 2015 bei 34,3 Mrd. (plus 5,3 Prozent) und bis 2018 auf 39,72 Mrd. Euro. Ähnliches gilt für den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer, die von 4,08 Mrd. (2014) bis 2018 auf 4,59 Mrd. Klettern wird. Für den LANDESHAUSHALT ergeben sich dar­aus Netto-Steuermehreinahmen von 405 Mio. Euro (2014) und 316 Mio. Euro (2015), die jedoch durch  Belastungen im Länderfinanzausgleich von 2,8 Mrd. Euro und 2,89 Mrd. Euro verringert werden (869).

Die Verf. Heben eine bessere Planungssicherheit in den Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen durch eine langfristige Vereinbarung vom Herbst 2012 für vier Jahre und durch die grundsätzliche Übereinkunft zum Ausbau der Ganztagsschulen hervor: Beim Finanzausgleich wird dem Land die Vorwegentnahme aus der Finanzausgleichsmasse zugestanden: „Im Gegenzug dafür musste das Land seine Vorstellung aufgeben, den bisherigen Beitrag der Kommunen von jähr­lich 400 Mio. Euro auf 470 Mio. Euro zu erhöhen. (..) Im Gegenzug tragen die Kommunen ab dem Jahr 2013 jährlich zehn Mio. Euro zusätzlich zur Kofinanzierung von Bundesmitteln zur Gemein­deverkehrsfinanzierung in Baden-Württemberg bei.“ (870, vgl. Regionalstadtbahn!). Ebenfalls wurden die Kosten für die Ganztagsschulen nach dem Konnexitätsprinzip und die Unterhaltskosten für die Landesstraßen (jährlich 9,2 Mio. Euro) geregelt, nicht dagegen bei der Verwaltungsstruktur. Bei der Finanzausgleichsmasse (FAG) ergibt sich – unter Berücksichtigung des Vorwegabzugs von 30,2 Prozent durch das Land (s.o.)! – nach dem Einbruch des GRUNDKOPFBETRAGS 2011 auf 913 Euro ein bedeutender Anstieg auf zunächst 1125 Euro (2014) und dann auf 1218 Euro (2016), verglichen mit den 680 Euro (2005, vgl. Graphik: 871) fast eine Verdoppelung! Dabei werden die Ergebnisse des Zensus 2011, der für Deutschland eine um 1,5 Mio. Einwohner geringere Bevölke­rungszahl und für Baden-Württemberg um 2,54 Prozent weniger Einwohner (minus 274.000) erge­ben hat, berücksichtigt. Die direkt davon abhängigen Finanzzuweisungen erden 2014 erst um 50 Prozent, 2015 um 75 Prozent berücksichtigt, um den Kommunen eine moderate Anpassung zu er­möglichen.

Ärger gibt es bei der Kleinkindbetreuung: Im Nov. 2011 haben Kommunen und Land einen „Pakt für Familien mit Kindern“ abgeschlossen, um die Kosten für den Kita-Ausbau U3 zu regeln. Da­nach hat das Land die Betriebskosten für 2012 von 129 auf 315 und für 2013 von 152 auf 325 Mio. Euro erhöht. Zusammen mit der Bundesförderung ergab sich für die Kommunen dadurch ein Zu­schuss von 4290 Euro (2011) auf 12.823 Euro (2013) für einen Ganztagsplatz (35 Wochenstunden). Ab 2014 wurde im § 29c FAG eine dynamisierte Beteiligung des Landes an den Brutto-Betriebs­kosten für Kitas von 68 Prozent festgeschrieben – und die Kommunen haben mit den Zahlen von 2012 gerechnet. Tatsächlich hat das Stuttgarter Finanzministerium jedoch im Jan. 2014 „auf der Grundlage der Jahresrechnungsstatistik 2012) die Höhe für einen Ganztagsplatz mit 9.421 Euro (statt 12.823 Euro) errechnet, so dass der neue Förderbetrag sich um 26,5 Prozent verringert und auch die Gesamtmittel von Bund und Land „gegenüber dem Vorjahr um 113 Mio. Euro auf 455 Mio. Euro drastisch“ zurückgehen. Damit „deckt die Landesförderung 2014 nicht einmal 50 Prozent der örtlichen Brutto-Betriebsausgaben für die Kleinkindbetreuung“: „Erschwerend kommt hinzu, dass 57 Prozent der Einrichtungen nicht von den Kommunen selbst, sondern durch kirchliche, ge­meinnützige oder freie Träger betrieben werden.“ (874) Deshalb fordert der Gemeindetag eine No­vellierung des § 29c FAG mit dem Ziel der Anhebung des Prozentsatzes.

Im Jahr 2014 werden die laufenden Ausgaben durch den zweistufigen Tarifabschluss um 53,5 Mio Euro (2014) und um 102,8 Mio. Euro (2015), durch die weitere Personalaufstockung bei der Klein­kindbetreuung und durch die rückwirkende Gewährung von zusätzlichen Urlaubstagen für junge Beamte weiter steigen. Die Kreisumlage bemisst sich nach der Steuerkraftsumme (Berechnungs­grundlage: 876), jeweils zwei Jahre davor, d.h. für 2014 ist das Jahr 2012 maßgeblich und führt für viele Stadtkreise zu einer deutlichen Anhebung (z.B. Ulm, Mannheim). Betrachtet man den Zeit­raum 2000-2014, so hat sie sich im Landesdurchschnitt um fast 63 Prozent erhöht, die Unterschiede in den einzelnen Kreise spiegeln jedoch den Grundsatz „Steuerkraft gleich Wirtschaftskraft“ wieder. Für die Kreisumlagen ergibt sich eine Entlastung von ca. 130 Mio. Euro durch den letzten Schritt bei der vollständigen Übernahme des Bundes für die Ausgaben zur Grundsicherung im Alter 2014. Somit ist das Gesamtaufkommen aus der Kreisumlage auf 3,3 Mrd. Euro gestiegen, bezieht man dies auf die aussagekräftigere Pro-Kopf-Belastung, so stieg diese von 361 auf 382 Euro pro Ein­wohner (878).

Ein großes Problem sind die Investitionen: „Bundesweit wird der Investitionsrückstand der Kom­munen immer noch auf 118 Mrd. Euro geschätzt.“ (881) Deshalb rechnen die Verf. Mit einer Aus­weitung der Sachinvestitionen und besonders der Bauausgaben für 2014, für die die Kommunen auf Rücklagen zurückgreifen müssen. Für Baden-Württemberg besteht laut KfW-Kommunalpanel vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu 2014) ein Rückstau bei Straßen von über sechs Mrd. Euro, bei Schulen von fünf Mrd., bei Verwaltungsgebäuden, Sportstätten und Bädern jeweils ca. zwei Mrd. Euro. Hinzu kommen die großen Investitionen bei Kinderbetreuung und Bildung (Gemein­schaftsschulen, Inklusion). Die Verf. verteidigen vehement die Notwendigkeit dieser Investitionen: „Investitionen in die kommunale Infrastruktur sind nicht nur notwendig, um die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger auf Dauer sicherzustellen. Es geht um noch mehr, nämlich die wirtschaftli­che Zukunft des Landes.“ (881) Gemeint ist die Infrastruktur besonders für die mittelständische In­dustrie mit Verkehrswegenetz, aber auch einem wohnortnahen Angebot an Schul- und Bildungsein­richtungen, Kinderbetreuung und schnellem Internet: „Der Grundsatz antizyklischen Haushaltens gilt auch für die kommunale Investitionstätigkeit.“ (881)

Der Ausbau der Kleinkindbetreuung nimmt einen Sonderplatz in diesem Bericht ein. Die befürch­tete Klagewelle der Eltern wegen einer Nichterfüllung ihres Rechtsanspruchs zum 1. August 2013 blieb auf, obowhl es 2012 im Ländle noch einen Fehlbestand von 40.000 Plätzen und eine Quote von nur 26,5 Prozent gab. Aufgrund der großen kommunalen Anstrengungen hat Baden-Württem­berg jedoch bundesweit die höchste Zuwachsrate an Plätzen erreicht: „Mit Stand 30.96.2013 stan­den in Baden-Württemberg 65.428 Betreuungsplätze zur Verfügung. (..) Laut Statischem Bundes­amt vom 16.07.2014 wurden zum Stichtag 1.3.2014 nunmehr tatsächlich 76.668 Kinder unter drei Jahren in Baden-Württemberg betreut.“ (883) Trotz des hohen Versorgungsgrades von ca. 28,45 Prozent bleibt die Kinderbetreuung eine kommunale Hauptaufgabe, um neben der Quantität auf die Qualität der Betreuung zu steigern, besonders in der Sprachförderung durch das Landesprogramm SPATZ und durch Qualifizierungsmaßnahmen des Personals, um den eklatanten Fachkräftemangel in diesem Bereich zu mindern. Auch wenn Baden-Württemberg im neuesten  Ländermonitoring der Bertelsmann-Stiftung einen Spitzenplatz unter allen Bundesländern einnimmt, fehlen landesweit 5.150 ErzieherInnen, der zusätzliche Personalaufwand beträgt ca. 225 Mio. Euro. Gleichzeitig füh­ren die Bedürfnisse der Eltern zu längeren Betreuungszeiten: „38,3 Prozent der Eltern wünschen sich danach eine Betreuung von mehr als 35 Wochenstunden, 28,6 Prozent eine Betreuung zwischen 26 und 35 Stunden. 23,5 Prozent möchten ihre Kinder halbtags betreuen lassen, also bis zu 25 Stun­den pro Woche.“ (884).

Bei den Erwartungen für die nächsten Jahre geht es zunächst um die Entwicklung der Steuerein­nahmen. Beim Gemeindeanteil an der EINKOMMENSSTEUER wird bemängelt, dass die Kom­munen keinerlei Einfluss darauf haben, obwohl Artikel 106 Abs. 5 S3 des Grundgesetzes dies er­möglicht. Die Schlüsselzahlen für diesen Anteil werden auf der Basis der Lohn- und Einkommens­statistik immer auf drei Jahre festgeschrieben, Anfang 2015 passiert dies für die neuen Schlüssel­zahlen 2015-17. Der Gemeindeanteil an der UMSATZSTEUER geht zurück auf die Streichung der Gewerbekapitalsteuer 1998, seitdem erhalten die Kommunen 2,2 Prozent der Umsatzsteuer, „nach Abzug bestimmter Vorwegentnahmen für den Bund für Zwecke der Arbeitslosen- und Rentenversi­cherung“ sind dies allerdings nur zwei Prozent effektiv. Außerdem gelten für alte und neue Bundes­länder unterschiedliche Schlüssel (885), die für die Kommunen insgesamt völlig intransparent sind. Für 2013 erhielt Baden-Württemberg 544 Mio. Euro, für 2014 sollen es rund 562 Mio. Euro wer­den. An den rechtlichen Grundlagen der Steuereinnahmen soll sich  laut Koalitionsvertrag der Bun­desregierung nichts Wesentliches ändern. Nur im Bildungs- und Betreuungsbereich sieht die Regie­rung  zusätzliche sechs Mrd. Euro vor, fünf für Wissenschaft, Hochschule und Schulen, eine Mrd. für die Krippen und Kitas (887). Ein Gesetzentwurf zur weiteren Entlastung von Ländern und Kom­munen ab 2015 sieht u.a. eine Aufstockung des Sondervermögens „Kinderbetreuungsaufbau“ um 550 Mio. Euro vor, davon erhält Baden-Württemberg rund 73,8 Mio. Euro.

Investitionsschwerpunkt wird weiterhin die KINDERBETREUUNG sein. Bis 2013 hatte der Bund vier Mrd. Euro bereitgestellt, 2,15 Mrd. für neue Plätze, 1,85 Mrd. Für Betriebskosten: „Weiter ver­pflichtete sich der Bund, ab 2014 jährlich bundesweit 770 Mio. Euro zur Finanzierung der Kosten für den laufenden Betrieb bereitzustellen.“ (888) Auf der Basis verschiedener Landesgesetze zum Kita-Ausbau hat Baden-Württemberg die Plätze von 72.600 im Jahr 2007 (Quote: 9,6 Prozent) auf 91.000 im Jahr 2013 ausgebaut und dafür vom Bund aus der 1. Tranche 2008-2013) 297 Mio. Euro für Investitionen und 238 Mio. Euro für Betriebskostenförderung für 2009-2013 erhalten. Um die bundesweite Betreuungsquote auf 39 Prozent (Baden-Württemberg: 37 Prozent) anzuheben, stellte der Bund 2013 in seiner 2. Tranche zusätzlich 580 Mio. Euro zur Verfügung, „während sich das Land gänzlich jeder Investitionsförderung zum Ausbau der Kleinkindbetreuung enthielt“! Geplant ist jetzt eine 3. Tranche des Bundes für die Jahre 2015-2018 in Höhe von sechs Mrd. Euro (54 Pro­zent der Fördersumme), davon für Baden-Württemberg ca. 73,8 Mio. Euro. Dadurch sollen zusätzli­che Betreuungsplätze, Inklusion und Ganztagsbetreuung gefördert werden. Bedingung ist allerdings eine Komplementärförderung der Länder und sonstiger Träger von 46 Prozent – spannend für die Stuttgarter Landesregierung! Unabhängig davon wird die Fördersystematik im Land verändert: „Dazu werden die ab 2015 bisher bestehenden drei Förderstufen auf sechs erweitert. Der Höchstför­dersatz wird dann nicht schon wie noch 2014 bei einem Betreuungsumfang von mehr als 35 Stun­den pro Woche, sondern nach § 29c Abs. 3 FAG erst ab mehr als 44 Stunden pro Woche gewährt.“ (891). Außerdem wird die Kindertagesbetreuung von 70 Prozent auf 72,5 Prozent angehoben (892).

Unter den weiteren Themen wird die Reform der Grundsteuer, die mit 1,87 Mrd. Euro immerhin 13 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen ausmacht, angemahnt, die ihre Berechnung seit Jahr­zehnten auf den veralteten Einheitswerten beruht. In der Diskussion verschiedener Modelle haben sich die Finanzminister im März 29014 überraschend auf ein Kombinationsmodell festgelegt, „bei dem der Grundsteuermessbetrag aus einer Bodenwertkomponente und einer Gebäudewerkkompo­nente errechnet werden soll“ (896), dabei werden die für Baden-Württemberg wichtigen forst- und landwirtschaftlichen Nutzflächen (Schwarzwald!) allerdings ausgenommen.

Insgesamt gehen die Verf. Davon aus, dass die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise, die Baden-Württemberg 2009 ein Defizit von 2,38 Mrd. Euro und 2010 ein Defizit von 0,77 Mrd. Euro in den Kommunen beschert hat, längst nicht überwunden ist. Darüber sollte das Wachstum 2010-2012 nicht hinwegtäuschen. Der Rückgang des positiven Finanzierungssaldos von 2,17 Mrd. Euro (2012) auf nur noch 415 Mio. Euro wird als erstes Warnsignal einer möglichen neuen Krise bewertet, vor allem im Hinblick auf die Schuldenbremse 2020. Deshalb wird gefordert, die Kommunen bei der Verhandlung über den Solidarzuschlag (jährlich ca. 14, 5 Mrd. Euro) nicht außen vor zu lassen (898).


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