Frühe Hilfen

03. November 2014  Gesundheit, Jugend & Kinder, Soziales

Dr. Lothar Schuchmann hat eine Einschätzung zum Thema Frühe Hilfen geschrieben, die hier dokumentiert wird. Das Thema ist gerade auch für Kommunalpolitiker wichtig.

FRÜHE HILFEN
Wer von seinen Eltern in der frühen Kindheit lieblos und ruppig behandelt und vernachlässigt wurde, spürt die Folgen sein ganzes Leben lang. Entwicklungsstörungen mit den
Folgen von Verhaltensauffälligkeiten, Konzentrationsmängeln, Angststörungen und Depressionen sind häufige Folgen des sozialen Dauerstresses.
Psychosoziale Unterstützung von Anfang an, kann Schäden verringern und Langzeitfolgen mildern.
FRÜHE HILFEN wirken präventiv, sind erfolgsversprechend, können Elend verhindern, Vernachlässigung und Misshandlung von noch sehr kleinen Kindern deutlich reduzieren. Die Einsätze der Familienhebammen werden vom Freiburger Kompetenz-Zentrum (KOM) koordiniert, das
zudem Fachkräfte-und Familienberatung anbietet und Sozialarbeit in einer Kinderarztpraxis initiiert hat.
Frühe Hilfen sind aber kein Ersatz für eine gerechte Sozialpolitik, etwa zur Reduzierung von Kinderarmut; dies kann nur über eine Erhöhung der kindlichen Regelsatze gehen;
wir verweisen dazu beispielsweise auf den Regelsatz von gering über einem ein Euro monatlich für frühkindliche Bildung, ein Bruchteil dessen, was deutschen Mittelschicht-
Kindern zur Verfügung steht. Daran ändert auch das Bildungs- und Teilhabe- Paket für Schulkinder nichts. Es handelt sich zweifellos bei den Hartz IV-Regelsätzen um eine bildungspolitische Sippenhaft für Kleinkinder
aus dem armutsmilieu.
Kinderarmut ist weder naturwüchsig noch gottgewollt, sondern wurde politisch
von der ganz großen Koalition von SPD, GRÜNEN, CDU und FDP so durchgesetzt. Kinder gehören auch heute noch für manche unverändert zum „Gedöns“.
Eine bundesweite Statistik zählt jährlich 400 schwerste Kindes-Misshandlungen im ersten Lebensjahr, darunter Misshandlungen mit Todes-folge. Der 11. Kinder- und Jugendbericht spricht davon, dass 10
% bis 15 % aller Eltern ihre Kinder häufig und schwerwiegend körperlich bestrafen. 80 000 Kinder leiden bereits im ersten Lebensjahr an emotionalen und körperlicher Vernachlässigung, rechnet man diese Zahlen auf
Freiburg um, ergeben sich 220 Kinder; Vernachlässigung ist häufig, wird allerdings selten thematisiert und es gibt kaum verlässliche Zahlen.
Für uns in Freiburg gibt dazu eine Reihe von Fragen Können 10 bis 15 Freiburger Familienhebammen ihre herausfordernden Aufgaben kontinuierlich/nachhaltig und möglichst ohne größere Personal-Fluktuation bewältigen ?
Sind 10 bis 20 zu betreuende Familien pro Familien-Hebamme ein realistischer Personalschlüssel?
Aktuell arbeiten im Rahmen der Freiburger FRÜHEN HILFEN nur fünf Familien-Hebammen und eine Kinderkrankenschwester.
Nehmen inzwischen alle drei Freiburger Geburtshilflichen Abteilungen engagiert an der Analyse von Riskofaktoren teil?
Ist nicht eine Wiederholung der Risiko-Analyse an allen 3-jährigen KITA-Kindern sinnvoll und notwendig, da soziale Risikofaktoren auch später auftreten können? Wie
werden in Freiburg Frühgeborene langzeit betreut?
Eine besondere Bedeutung für die Wirksamkeit der FRÜHEN HILFEN hat die enge Kooperation mit den Trägern der sechs Freiburger Leuchtturm-Projekten („Born to be
Child“, „Guter Start ins Leben“, „Fit für’s Kind“, „Chaos im Bauch – jung, schwanger und 1000 Fragen“, „wellcome“ und „Haushalts- und Organisationstraining“) und die
Vernetzung mit den Trägern der Frühförderung. Funktioniert das? und letztlich: Gibt es in Freiburg ein Projekt, das
es ermöglicht, aus Fehlern bei der sozialen Arbeit zu lernen ?
Statisktik:
Nach den uns zugänglichen Zahlen hat Freiburg derzeit 218.412 Einwohner, davon 34.507 Kinder und Jugendliche bis zum Alter bis 18 Jahren; die jährliche Geburtenrate
beträgt deutschlandweit derzeit 678 000, in Freiburg wurden zuletzt jährlich 2300 Geburten gezählt.
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Kindertagestättenbedarfsplanung für das Kindergartenjahr 2014/2015
Die Verantwortlichen des Amtes für Kinder, Jugend und Familie, insbesondere Frau Amtleiterin Haardt,
Frau Kolb und Herr Kamenzin haben in den vergangenen Jahren mit ebenso viel Entschlossenheit und Durchsetzungswillen angesichts vieler Widerstände und der bunten Vielfalt der Träger Planung und Realisierung der
notwendigen Krippen und Kindertagestätten voran gebracht, nicht nur die Zahl der Plätze wurde erhöht, auch bezüglich der Qualität wurde vieles verbessert, dennoch bleiben Sorgen.
Um die Ziele von 98% der Versorgungsquote für Ü3 Kinder und wenigstens 50% für U3-Kinder bis Ende 2016 zu erreichen, werden für beide Altersgruppen jeweils 500
zusätzliche Plätze benötigt. Sind 50% (nach einer Elternbefragung im Mai 2013) für die U3-Kinder wirklich ausreichend? Eine Elternbefragung sollte 2016
wiederholt werden!
Um eine hohe pädagogische Qualität in den Einrichtungen zu erreichen und zu erhalten, sind mehr finanzielle Ressourcen, vorallem für die Personalentwicklung erforderlich.
Hier lohnt sich ein Blick nach NRW: Mit dem Kinderbildungsgesetz vom Juni 2014 werden jährlich insgesamt rund 390 Millionen Euro mehr aus Landesmitteln für bessere
Bildungschancen und mehr Bildungsgerechtigkeit bereitgestellt und zwar als Verfügungspauschale für alle vorschulischen Einrichtungen in der Höhe von 55 Mio €, für das
Projekt plusKITA 45 Mio € für Einrichtungen in Stadtteilen mit einem hohen Anteil bildungsbenachteiligter Familien;
diese Einrichtungen erhalten dadurch zusätzliche Mittel für mehr Personal und schließlich mehr Finanzmittel für die Sprachförderung in KITA’s. Angesichts enorm hohe Elternbeiträge bei manchen privatgewerblichen Trägern, die
zu einer sozialen Segregation schon im Kleinkindesalter führt, fordern wir erneut eine schrittweise Senkung der Elternbeiträge und letztlich Beitrags-freie Krippen und KITA’s
wie in Rheinland-Pfalz oder Heilbronn.

Abschließend ergeben sich noch Fragen:
Kinder in sonderpädagogische Einrichtungen machen 2% = 140 aller Ü3-Kinder aus, wieviele dieser Kinder werden in sonderpädagogischen Einrichtungen (in welchen) und wieviele inklusiv betreut?
Wie beurteilt die Stadt die Auswirkung des Betreuungsgeldes für die Versorgungsquote/
Planung, wie stellt sich die sozialräumliche Verteilung der entsprechenden Anträge dar
und bei wievielen Kindern entfällt dadurch auch die dringend notwendige Sprachförde rung!
Welche Methoden der Sprachförderung werden in KITA’s mit hohem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund angewendet? Ein deutsches Sprachbad steht da ja nicht zur
Verfügung! „Kauderwelsch“ muss doch vermieden werden! Ist eine Verteilung der
sprach lich zu fördernden Kleinkinder auf überwiegend deutsch-sprachige KITA’S möglich?
Wie viele Flüchlingskleinkinder bei für 2014 zu erwartenden rund 500 zusätzlichen
Flüchtlingen (41/mo), dies bedeutet für beide Altersgruppen mindestens 50 Plätze mehr
bis Plätze mehr bis Ende 2016 und weitere zusätzliche Ressourcen (Finanzierung von
Kindertageseinrichtungen Einrichtungen in sozialen Brennpunkten: siehe NRW-
Kinderbildungsgesetz) .
Gibt es Gebäudeplanungen in alternden Stadtteilen nicht mehr benötigte Kindertageseinrichtungen zukünftig in Jugend-Einrichtungen oder Senioren-Wohnungen umwandeln zu können.
Statistik:
Gemäß § 3 des KITA Landes-Gesetzes vom Märzt 2009 ist die Kommune zur
Schafflung eines bedarfsgerechten Angebotes im Bereich der Kindertagsbetreuung
verpflichtet
Zu Beginn des Kindergartenjahres 2014/2015 stehen aktuell insgesamt 2483
Plätze für Kinder bis drei Jahre und 6964 Plätze für Kinder von drei bis sechs Jahren
(Bedarf 2016: 7479) zur Verfügung und werden von der Stadt Freiburg gefördert.
2013/2014 wurde in der Bedarfsplanung die Zahl der Ü3 Plätze um 285 (194) und der
U3 Plätze um 467 (438) erhöht; bei den Ü3-Kindern wurde mit 96% die geplante
Versorgungsquote von 98% aber nicht erreicht; Ursachen sind Veränderungen im
Verhältnis der U3/Ü3-Gruppen und die verlängerten Öffnungszeiten ( in Richtung VÖZ


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