Grüner Rotstift

28. September 2011  Finanzen & Haushalt, Gemeinderäte, Soziales
Mittwochspalte im Schwäbischen Tagblatt vom 28.9.2011

Viele Tübinger wissen gar nicht, was soziale Projekte und Vereine alles an Arbeit leisten, mit wenigen Beschäftigten und vielen Ehrenamtlichen. Es ginge in der Stadt eine Portion rauher und krimineller zu, gäbe es nicht Einrichtungen wie Bahnhofsmission, Arbeitskreis Leben, TAT e.V., Asylzentrum, TIMA, Frauen helfen Frauen, Aidshilfe, BüroAktiv, Beratungsstelle für Ältere, unabhängige Patientenberatung und andere.

Am Samstag präsentierten die Sozialvereine in der Innenstadt ihre Arbeit und ihre Forderung, das Rathaus solle die beschlossenen Streichungen zurücknehmen. Statt kleinkrämerisch 50 000 Euro zu kürzen müsste die Stadt diesen Betrag drauflegen, damit die Mehrausgaben für Personalkosten, Miete und andere Steigerungen ausgeglichen werden. Die Stadt spart jährlich 140.000 €, weil viele BonusCard-Leistungen zukünftig durch den Bund übernommen werden. Das Eingesparte sollte in der sozialen Infrastruktur verbleiben.

Die AL-Grünen sind beim Sozialkürzen die Eifrigsten. In Tübingen ist der Rotstift grün. Die SPD muss mehr Rückgrat zeigen und ihre Kritik an den Streichungen nicht nur unter vorgehaltener Hand flüstern. Wir fordern alle Fraktionen im Gemeinderat auf: lasst die Streicherei, nutzt die verbesserte Einnahmesituation. OB Boris Palmer muss aufpassen, dass er seiner Vorgängerin nicht zu ähnlich wird.

Unsere volle Unterstützung hat er, wenn die Stadt mit anderen Kommunen vor den Kadi zieht und die neue Landesregierung an ihre rechtliche Verpflichtung für den Ausbau der Kinderbetreuung erinnert. Mehr Geld für Kinder und Bildung ist Koalitionsversprechen. Die SPD-Kultusministerin hat sich für nicht zuständig erklärt. So eine Ansage hätten sich nicht mal die Schwarzen getraut. Im März noch hat die heutige Ministerin Wahlplakate für gebührenfreie Kindergärten geklebt.

Mein zweites Anliegen heute heißt kommunale Informationsfreiheit bei Grundstücksgeschäften. Zuviel läuft nichtöffentlich. Verkäufe wie das historische Egeria-Gebäude sollten nicht hinter verschlossenen Türen und ohne Wettbewerb laufen. Palmer trat an mit der Ansage für mehr Transparenz. Er könnte sich solidarisieren mit den Rottenburger Ratsmitgliedern Bodenmiller und Peter, denen mit Ordnungsgeldern Maulkörbe verpasst werden. Gemeinderäte sind keine Geheimräte. Es geht um Entscheidungen, die alle betreffen.

Wie sollen die Bürgerinnen bei Kommunalwahlen eine bewusste Wahlentscheidung treffen, wenn ihnen verheimlicht wird, mit welchen Argumenten sich ihre Stadträte wie verhalten haben? So fragte das Verwaltungsgericht Regensburg in einem Urteil.

Gerlinde Strasdeit, Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Tübinger Gemeinderat



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