Haushaltsrede, Kreistag Tübingen am 12.12.2012

13. Dezember 2012  Finanzen & Haushalt, Kreistage, Rede

Bernhard Strasdeit, Haushaltsrede, Kreistag Tübingen am 12.12.2012

Sehr geehrter Herr Landrat

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

Herr Landrat, Sie läuteten die diesjährigen Haushaltsberatungen ein mit der alten Volksweisheit „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“.  Mindestens genauso existenziell wichtig für öffentliche Haushalte wie für Unternehmen ist die Devise:

„Investiere in der Zeit, dann hast du in der Not.“  Wir stehen als Linke zu den hohen Investitionen, die der Landkreis macht, zum Beispiel bei Schulsanierungen. Und wir stehen zu den wachsenden Anforderungen bei den sozialen Diensten, bei der Eingliederungshilfe, bei der Inklusion, bei der Umsetzung des Nahverkehrsplanes und bei der menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis.   Es ist gut, dass für die Betreuung der Flüchtlinge ohne großen Zerf bereits mehr Stelleneinsatz geplant ist.

Die Kommunen, Städte und Kreise sind der Ort in der Gesellschaft, wo die großen Versäumnisse und Sünden der letzen Jahre aufschlagen: Ausweitung des Niedriglohnsektors, Armutsrenten, Hartz IV, zuwenig Geld für die Bezahlung für Fachkräfte in Kitas, explodierende Miet-  und Strompreise. Letzteres  heisst hohe Kosten auch für den Landkreis für die Unterkunft von Leistungsbeziehern.

Wir halten es für geboten, die gesetzlich fundierte soziale Ausgleichsfunktion des Landkreises nicht zu schmälern sondern auszubauen.

Deshalb hat die Kollegin Schlager hat recht, wenn sie in ihrer letzten Kreisecke kritisiert, dass die Kreisumlage von manchen Bürgermeistern nur als lästiger Kostenfaktor angesehen wird.  Tatsache ist: die Kreisumlage ist nicht nur ein Kostenfaktor für die Gemeinden sondern auch ein wichtiges Steuerungselement um in Gemeinschaftsleistung  soziale Dienste und Investitionen und Infrastrukturmaßnahmen zu erbringen, die den Menschen in allen Städten Gemeinden des Landkreises zugute kommt.

Uns Linken ist es natürlich lieber, das Geld wird im Kreis für was Vernünftiges und was Soziales investiert als für Blödsinn in der Stadt Tübingen, zum Beispiel für einen postmodernen Berater, der uns für eine Million Euro lehren soll, wie mit einem Festevent die Geschichte des Bauernkrieges neu geschrieben wird.

Die Kreisumlage – nach der letztjährigen Senkung – wieder um ein knappes Prozent leicht anzuheben oder zumindest nicht zu senken, halten wir für  berechtigt, – wenn das Geld dann nicht gehortet sondern auch zielgerichtet eingesetzt wird:  für kreiseigene Schulen, für Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr, für neue Freizeitangebote und für Unterstützung bei der  Schulsozialarbeit.

Mit einer bescheidenen Erhöhung der Kreisumlage und den zweieinhalb Millionen Euro Mehreinnahmen, die wir jetzt haben,  wäre eigentlich alles möglich: sowohl die außerordentliche Schuldentilgung, als auch der von uns geforderte Einstieg in ein kreisweites Sozialticket.

Zum Thema Schulsozialarbeit gibt es offensichtlich einen breiten Konsens, dass neben den Haupt- und Werkrealschulen auch die Gymnasien zukünftig in die Förderung des Landkreises einbezogen werden sollen.

Im Ausschuss wurde klargestellt, dass die Kriterien dafür  festgelegt werden müssen. Aber es ist auch klar, dass die Schüler der Gymnasien halt nicht nur aus Tübingen, Rottenburg und Mössingen kommen sondern aus dem gesamten Landkreis.  Die Schulsozialarbeit muss an die neuen Bedingungen der Schulen angepasst werden, etwa an den zunehmenden Ganztagesschulbetrieb oder auch an den Wegfall der Grundschulempfehlung.

Wir haben nichts gegen Schuldentilgung – aber wir haben Zweifel, ob überplanmäßige Schuldentilgung bei den derzeit so  niedrigen  Zinsen wie nie in den letzten Jahren –  das absolut vorrangige  Bestreben im Haushalt sein muss. Bei zweieinhalb Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen darf man sich auch Gedanken machen, ob das Geld nicht sinnvoll reinvestiert wird.  Wenn das Geld aber nicht im Kreis genutzt werden sollte,  befürworten wir  selbstverständlich, dass es in den Kreisgemeinden verbleibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Wir setzen alljährlich die Einführung eines kreisweiten Sozialtickets auf die Tagesordnung. Solange, bis es einen Ruck tut. Wir sind uns sicher, dass das früher oder später auch kommen muss. Es ist nicht bei den Schülertickets schon nicht ok, wenn Schüler das Vielfache ausgeben müssen wie Studierende für das Semesterticket. Die Verwaltung beziffert die Anpassung der Schülerfahrkarten an das Semesterticket mit 1,6 Millionen Euro. Das ist aber eine  reine Zuschussrechnung für jede Fahrkarte.  Aber das ist nicht die betriebswirtschaftliche Rechnung, die man aufmachen muss, wenn der Naldo ein bezuschusstes Schülerticket als Geschäftsmodell betreiben würde, auch um neue und zukünftige Kunden zu werben.

Und das ist schon gar volkswirtschaftlich eine völlig andere Rechnung, wenn man einrechnet, dass damit mehr Schülerverkehr von der Straße wegkommt.

Und für die Anspruchsberechtigten der Kreisbonuscard läge der Zuschuss für ein Sozialticket nach Berechnung der Verwaltung bei nur 200 000 Euro. Wenigstens da wäre sofort was machbar und entsprechend Nahverkehrsplan umsetzbar.

Ich finde, da versagt der Verkehrsverbund bislang – da muss politisch nachgeholfen werden.

Sie alle wissen, dass das, was im Regelsatz von Hartz IV für Mobilität vorgesehen ist, hinten und vorne nicht reicht, damit die Betroffenen hier im Landkreis würdig teilhaben können an der Nutzung von Bus und Bahn.

Ein Sozialticket im Naldo wäre ein Gewinn – gerade für Leute aus den Kreisgemeinden, und speziell für solche Menschen, die deshalb nach draussen ziehen, weil sie sich die hohen Mieten in Tübingen nicht mehr leisten können. Solange Betroffene im Landkreis an oder unter der Armutsschwelle leben, setzen wir uns dafür ein.  Hier heute aus dem Kreishaushalt einen Anstoß zu geben, wäre das richtige Signal.

Also:

Die Bürgermeisterfraktion der Freien Wähler sollte das Thema Kreissozialticket aufgreifen, weil das der Bevölkerung besonders in Gemeinden der Region zugute käme.

Die CDU sollte es aufgreifen, weil ihre vielen Wählerinnen und Wähler ausserhalb der sogenannten „grünen Hölle Tübingen“  davon profitieren würden.

Die Grünen sollten es aufgreifen, weil es ökologisch ist.

Die SPD sollte das deshalb es aufgreifen, weil sie damit endlich was tun könnte gegen ihr schlechtes Gewissen bezüglich der Agenda 2010 und hartz IV.

Und die FDP könne ein Marketingkonzept unterstützen, bei dem ein Sozialticket und ein preisgünstiges Schülerticket zum betriebswirtschaftlichen Erfolg des Naldo beitragen könnten.

Also ein echtes Gemeinschaftsprojekt, das wir uns im Kreishaushalt auch was kosten lassen sollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Auch wenn dem Landkreis der  konjunkturell bedingte Steuersegen gerade zugute kommt, wissen wir, dass die Kommunen im Land strukturell drastisch unterfinanziert sind, um ihre Gemeinschaftsaufgaben für Infrastruktur, Gesundheit, Bildung und Soziales zu stemmen. Bei Konjunkturschwäche wird das wieder voll durchschlagen.

Es gibt gute Vorschläge und gerechte Steuermodelle, wie das Problem Kommunalfinanzierung und Verschuldung öffentlicher Haushalte ohne die klassische Rotstiftpolitik zu lösen ist. Ich schlage vor, für den nächsten oder übernächsten Landkreisempfang dazu jemand Kompetentes einzuladen, vielleicht einen bekannten ehemaligen Bundesminister, der uns dazu einen Gastvortrag hält.

Ich denke dabei an honorige Namen wie Heiner Geißler, Oskar Lafontaine oder Norbert Blüm.

In diesem Sinne wünsche ich uns eine kreative Haushaltsberatung.


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