Haushaltsrede und Anträge zum Haushalt der LINKEN im Böblinger Kreistag

28. November 2016  Antrag, Haushaltsreden/-anträge, Kreistage

Biggi Ostmeyer hielt für DIE LINKE im Böblinger Kreistag die Haushaltsrede zum HH 2017 und brachte Anträge ein (unter der Rede).

 

Stellungnahme zum Haushaltsentwurf 2017

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen des Kreistags,

sehr geehrter Herr Landrat,

Im letzten Jahr hat das Flüchtlingsthema die Haushaltsberatungen dominiert und ich hatte gesagt, dass ich mich wundere, dass die Flüchtlinge erst jetzt kommen. Dass sie jetzt nicht mehr kommen, liegt an der Schließung der Balkanroute, dem sogenannten „Türkei-Deal“, geplanten „Migrationspartnerschaften“ mit afrikanischen Staaten, auch die „Mittelmeerroute“ soll geschlossen werden und in diesem Jahr sind schon mehr al 4000 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Jetzt wundere ich mich darüber, dass Irgendjemand meint, dass diese Maßnahmen eine Lösung sein könnten – da fällt mir nur ein: Wenn man die Augen zu macht, sieht man nichts.

Die Bundeskanzlerin hat bei ihrer Afrikareise zwar sehr richtig wiederholt betont, das Wohl Afrikas liege im Interesse Deutschlands –  tatsächlich  wurde aber  nicht über eine Veränderung der Handelsbedingungen hin zu fairem Handel geredet: Dass zum Beispiel mit so einem Unsinn aufgehört wird wie EU-subventioniertes Tomatenmark nach Ghana zu exportieren und die dortigen Tomatenbauern zu ruinieren. Märkte afrikanischer Länder werden mit billigen Waren geflutet, ihre Fischgründe werden von der europäischen Fischereiindustrie leer gefischt usw. –

Solange solche Missstände existieren, ist aus unserer Sicht Wirtschaftsflucht völlig legitim.

Wahrscheinlich rollen manche von Ihnen (wenigstens innerlich) mit den Augen, weil Sie meinen, dass dass alles nichts mit dem Kreishaushalt zu tun hat – hat es aber: die Armen dieser Welt werden sich weiterhin auf den Weg zu uns machen und neue Wege finden – und das wird  haushaltsrelevant sein –  wenn wir nicht endlich beginnen diese Zustände zu verändern.

Im letzten Jahr hatten wir in diesem Zusammenhang einen Antrag zu  „Fairtrade im Landratsamt“ gestellt. Leider hat sich die Stellungnahme der Verwaltung etwas verzögert, so dass dieses Thema erst in der kommenden Ausschuss-Runde auf der Tagesordnung stehen wird – wir hoffen natürlich auf positive Rückmeldung.

Auch wenn im Moment durch den Rückgang der Flüchtlingszahlen die Unterbringungs- und Betreuungssituation relativ entspannt zu sein scheint, sehen wir  den geplanten umfangreichen Abbau von Personalstellen in diesem Bereich skeptisch, weil sich das jederzeit ändern kann – es sollte versucht werden, möglichst viele dieser Stellen für die Aufgaben bei der Sozialbetreuung und Integration auch in der kommunalen Anschlussunterbringung aufrecht zu erhalten. Zur Integration gehört auch Kommunikation – deshalb begrüßen wir den Haushaltsposten von 420000€ um endlich alle Gemeinschaftsunterkünfte mit WLAN auzustatten.

Qualifizierte Dolmetschertätigkeiten sind nötig, um Flüchtlinge bei Behördengängen aller Art zu begleiten. Die Einstellung von 90000 € im

Haushalt für den Caritas Dolmetscher Pool scheint ein Schritt in die

richtige Richtung. Da uns aber völlig unklar ist, wie das in der Praxis dann aussehen soll,  beantragen wir, dass über die Umsetzung  und Erfahrungen mit dem Dolmetscherpool in den zuständigen Ausschüssen fortlaufend berichtet wird: wie hoch ist der Bedarf, wieviele DolmetscherInnen sind im Einsatz, wie ist die Bezahlung, wie findet die Koordination statt usw.

Zum Thema ÖPNV und zu unserem Lieblingsthema Sozialticket. Wir haben unseren Antrag vom letzten Jahr wieder eingebracht.

Unsere Anträge zum Sozialticket schreiben wir nicht, um die Verwaltung zu beschäftigen, sondern um echte Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger  zu erreichen, für die die LEIDER ständig und verlässlich steigenden VVS-Tarife schlichtweg nicht zu bezahlen sind. Wir meinen, es gibt ein Recht auf Mobilität.

Wir sind alle zu dem Thema angeschrieben worden von dem Sozialforum Böblingen, das von Flüchtlingshilfen, attac, der Betriebsseelsorge, Gewerkschaften und einer Reihe Einzelpersonen unterstützt wird.

Letzte Woche war vom erfolgreichen Wachstumskurs des VVS u.a. dank Firmentickets zu lesen: ein Plus von 2,2 %, im   Berufsverkehr sogar 5,5%, das Seniorenticket hat ein Plus von 2,8 % zu verzeichnen.

Warum hat der VVS eigentlich kein Interesse an steigenden Nutzerzahlen aus dem Bereich der potentiellen Sozialticket-Berechtigen?

Solange dadurch keine Neu-Investitionen nötig sind, kann er doch vom

Plus an Fahrgästen – die überwiegend nicht im Berufsverkehr fahren werden –  profitieren. D.h. Zahlungen der öffentlichen Hand an die Verkehrsunternehmen für Sozialtickets sind  nicht ohne weiteres einsichtig! Aber selbst wenn es etwas kostet:

Wenn der  VVS das – nicht subventionierte – Seniorenticket (gut 40€ im Monat)  als Erfolgsgeschichte verkauft, wie soll dann ein Sozialticket – für ca 25 € im Monat – für einen stark eingeschränkten Kreis von

Berechtigten – einen solchen Abmangel produzieren, dass es sich ein so reicher Kreis wie BB – ich verweise auf den Prognos-Bericht –  nicht leisten kann,  wenn es z.B. Göppingen, Freiburg, Heilbronn, Stuttgart schaffen??

Zur HermannHessebahn: Diese Bahn ist auch für die BewohnerInnen im Kreis Böblingen attraktiv, deshalb meinen wir, der Kreis sollte sich am Zweckverband beteiligen. Auch die standardisierte Bewertung zur S-Bahnverlängerung sollte unter finanzieller Beteiligung des Kreises in Auftrag gegeben werden.

Auf die NutzerInnen der Schönbuchbahn kommen harte Zeiten zu ab Mitte nächsten Jahres.  Um die lange Übergangszeit bis Ende 2018   einigermaßen erträglich zu gestalten, darf beim Schienenersatzverkehr nicht gespart werden. Wir stellen den Antrag, dass die konkret geplante Ausgestaltung des Schienenersatzverkehrs im UVA im März 2017 vorgestellt und diskutiert wird.

Außerdem stellen wir den Antrag, dass nach Inbetriebnahme der Schönbuchbahn Ende 2018,  der werktägliche Halbstundentakt auch auf das gesamte Wochenende ausgedehnt wird, weil der

derzeitige Stundentakt eher abschreckt, insbesondere bei der Unzuverlässigkeit der S-Bahnen.

Wir unterstützen die Pläne der Regionalversammung bis 2020 den ganztägigen 15 Minuten-Takt bei den S-Bahnen im gesamten Netz einzuführen, weil dies die Attraktivität des ÖPNV extrem steigern würde.

Und wir freuen uns auf eine Mobilitätskonferenz, bei der hoffentlich mal kreativ alle Fortbewegungsmöglichkeiten zusammen gedacht werden – auch die Möglichkeit, Wege zu vermeiden.

Noch ein paar Anmerkungen zum Wohnungsmarktbericht : Es fehlt bezahlbarer Wohnraum und es ist zu begrüßen, dass der Kreis die Initiative für den Runden Tisch ergriffen hat um alle Akteure zusammenzubringen – die dort erarbeiteten Handlungsoptionen sind zumindest mal ein erster Schritt. Aber wenn dort zu lesen ist: „Das Bauen ist und bleibt Aufgabe von Immobilienwirtschaft und privaten Bauherren“ sehe ich schon eine gewisse Ohnmacht der politischen EntscheidungsträgerInnen – jedenfalls wenn die Bebauungsflächen nicht in kommunaler Hand sind. Deshalb beantragen wir, dass im zuständigen Ausschuss alle kreiseigenen Liegenschaften und Immobilien vorgestellt und unter der Überschrift „Bezahlbaren Wohnraum schaffen“ diskutiert werden. Auch sollte dringend der

Leerstand erfasst werden – das betrifft sowohl leerstehende Häuser als auch unbebaute / zurückgehaltene Flächen in bestehenden Baugebieten – und überlegt werden, wie die EigentümerInnen motiviert werden können, zu vermieten oder zu verkaufen.

Eine Bevölkerungsgruppe, die der LINKEN sehr am Herzen liegt und besonders vom Mangel an bezahlbarem Wohnraum betroffen ist, sind Hartz-IV-EmpfängerInnen. Für diese ist die Mietobergrenze von entscheidender Bedeutung, weil sie für den Fall, dass ihre Wohnung teurer ist, als es die festgelegte Mietobergrenze hergibt, die Differenz

aus dem Regelsatz und damit vom Existenzminimum bezahlen müssen. Weil es immer wieder Berichte gibt, dass die  Jobcenter Hartz-IV-EmpfängerInnen zu geringe Mietkosten bewilligen[1], stellen wir den Antrag, dass im zuständigen Ausschuss dargestellt wird,

  • wieviele Berechtigte (absolut und prozentual) mit der ermittelten Mietobergrenze nicht auskommen, also zuzahlen müssen und
  • ob die Berechtigten nach Anpassung der Mietobergrenzen 2014 (KT-Drucks. Nr. 203/2013)  und 2016 (KT-Drucks. Nr. 129/2016) automatisch Erhöhungsbescheide bekamen oder nur auf Antrag.

Nur so lässt sich aus unserer Sicht festtstellen, ob die ermittelte Mietobergrenze in der Praxis ausreicht. 

In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf den im Haushaltsplan angekündigten Armutsbericht eingehen. Der Armutsbericht auf Bundesebene heißt offiziell „Armuts- und Reichtumsbericht“ und wir würden uns wünschen, dass es auch auf Kreisebene einen Armuts- und Reichtumsbericht gibt. Da sollten eben nicht nur die Anzahl der Wohngeldempfänger, Arbeitslose, prekär Beschäftigte, von Altersarmut Betroffene  usw. vorkommen, sondern auch die Vermögensverteilung, privates Vermögen im Landkreis, Einkommensstruktur usw. untersucht werden.

Thema Krankenhäuser, Flugfeldklinikum : Die Sanierungs- und Zielplanung für die Krankenhäuser in Leonberg und Herrenberg stehen heute noch auf der Tagesordnung – die Planungen bedeuten ein klares Ja zur Erhaltung dieser beiden Krankenhäuser. Die Unsicherheiten bei den Fördermitteln für diese Sanierungskosten – und das gilt auch für die

Instandhaltungskosten der Krankenhäuser in Böblingen und Sindelfingen – machen uns allerdings schon Bauchschmerzen.

Durch die falsche Gesundheitspolitik  (Stichwort Fallpauschalen) kommt es sowieso schon zu einer Unterfinanzierung der laufenden Kosten und der Investitionen – das darf nicht auf Kosten des Personals gehen. Nötig wäre eine gesetzliche Personalbemessung – in Deutschland gibt es 12,3 Pflegekräfte für 100 PatientInnen, in Norwegen – wir haben ein Krankenhaus dort besucht – 42,9!! (Unser Slogan dazu heißt übrigens: „Personalmangel im Krankenhaus gefährdet ihre Gesundheit“) .

Dass das Ergebnis des städtebaulichen Ideenwettbewerbs zur Zeit der Öffentlichkeit vorgestellt wird und morgen auch eine Bürgerinfo-Veranstaltung stattfindet, ist begrüßenswert. Die diversen Leserbriefe zum Flugfeldklinikum reißen ja nicht ab. Die eventuell unzureichende Bürgerinformation in der Vergangenheit ist heute nicht mehr „heilbar“, aber in Bezug auf die  Zukunft des Böblinger Kreiskrankenhauses und der kreiseigenen Schwesternwohnheime stellen wir den Antrag, bei der Konzepterstellung für die Folgenutzung die Bügerinnen und Bürger frühzeitig – ab 2017 ? – einzubeziehen:  das kann etwas turbulent werden, aber vermutlich wird etwas Kreatives dabei rauskommen.

Neues Thema Breitbandausbau:

Kürzlich hab ich eine Karikatur gesehen: Die Frau sagt: Das Internet ist heute aber lausig langsam Schatz! Er darauf: ja, unser Kühlschrank unterhält sich gerade mit der Mikrowelle von Tante Ilse…

Also ich brauch das nicht, habe aber doch ein Interesse  an einem schnellen Internet. Die Versprechungen von „Fiber to the home“ FTTH – „unbegrenzte Menge an Daten, .. dem globalen Glasfasernetz geht nicht die Puste aus, Datenstaus sind Geschichte..“  scheinen verlockend, andererseits bin ich skeptisch, weil  Technologieschübe nicht vorhersehbar sind. Die wichtigen Fragen sind doch aber: Wer ist Eigentümer der Infrastruktur und wie wird sichergestellt, dass alle

NutzerInnen – im Gegensatz zu den Flugfelderfahrungen – Vorteile haben? Aufgrund der Komplexität scheint es uns sehr angebracht die Stelle eines Breitbandbeauftragten zur Koordinierung einzurichten.

Ich komme zum Schluss und statt über die Kreisumlage zu reden, möchte ich die Rolle der Landräte und Bürgermeister als eine Art neue  außerparlamentarische Opposition in Baden-Württemberg loben: Die scharfe Kritik des Landkreistags und des Städtetags am Sparkurs der Landesregierung zu Lasten der Landkreise, Städte und Gemeinden in den letzten Wochen war berechtigt und ja auch einigermaßen erfolgreich.

Ein solches Agieren würden wir uns auch wünschen beim Thema Steuerhinterziehung: Schon im letzten Jahr habe ich ausgeführt, dass laut seriösen Quellen jeder Gemeinde pro Jahr und im Durchschnitt  ca 2,3 Mio € durch Steuerhinterziehung verloren gehen.

Übrigens hatte die grünrote Koalition versprochen, 500 neue Stellen bei den Finanzämtern einzustellen – das wurde aber leider nicht umgesetzt und im jetzigen Koalitionsvertrag ist das Thema gar nicht erwähnt.

Darum fordern wir den Landrat und die Bürgermeister auf, sich im Landkreistag und Städtetag dafür stark zu machen, Druck auf die Landesregierung auszuüben, mehr Stellen bei den Finanzämtern für eine viel schlagkräftiger auszustattende Steuerverwaltung auszuweisen. Hier sind auch die Kreisrätinnen und Kreisräte der Regierungsparteien gefordert!

Zum Schluss auch von uns noch ein herzliches Dankeschön für die Hilfestellungen aus der Verwaltung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Brigitte Ostmeyer,

Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Kreistag Böblingen


[1]             http://www.hartziv.org/news/20151214-jobcenter-anweisung-enthuellt-hartz-iv-skandal-bei-wohnkosten.html

-> Die Anträge:

Anträge der LINKEN-Kreistagsfraktion zum Haushalt 2017

Die aufgelisteten Anträge, die sich nicht ausführlich im Anhang befinden, sind in der Rede der LINKEN zum Haushalt 2017 durch Unterstreichung markiert.

 

Haushaltswirksame Anträge

 

  • Sozialticket (eventuell auch haushaltsneutral), Antrag angehängt

 

  • Schönbuchbahn Taktzeiten am Wochenende: Ausdehnung des werktägliche Halbstundentakt auf das gesamte Wochenende nach Inbetriebnahme der Schönbuchbahn Ende 2018 (nicht haushaltswirksam für 2017)

 

Haushaltsneutrale Anträge

 

  • Fortlaufende Berichterstattung in den zuständigen Ausschüssen über über die Umsetzung  und Erfahrungen mit dem Dolmetscherpool: wie hoch ist der Bedarf, wieviele DolmetscherInnen sind im Einsatz, wie ist die Bezahlung, wie findet die Koordination statt usw.

 

  • Vorstellung und Diskussion der konkret geplanten Ausgestaltung des Schienenersatzverkehrs für die Zeit der Baumaßnahmen an der Schönbuchbahn Juni 2017 bisa Ende 2018 im UVA im März 2017.

 

  • Vorstellung aller kreiseigenen Liegenschaften und Immobilien und Diskussion unter der Überschrift „Bezahlbaren Wohnraum schaffen“ in den zuständigen Ausschüssen und Erfassung Leerstand

 

  • Zu Mietobergrenzen: Darstellung im zuständigen Ausschuss:
    • wieviele Berechtigte (absolut und prozentual) mit der ermittelten Mietobergrenze nicht auskommen, also zuzahlen müssen und
    • ob die Berechtigten nach Anpassung der Mietobergrenzen 2014 (KT-Drucks. Nr. 203/2013)  und 2016 (KT-Drucks. Nr. 129/2016) automatisch Erhöhungsbescheide bekamen oder nur auf Antrag.

 

  • Bei der Konzepterstellung für die Folgenutzung des Kreiskrankenhauses und der kreiseignen Schwesternwohnheime müssen die Bügerinnen und Bürger frühzeitig einbezogen werden – das sollte schon 2017 angegangen werden

 

  • Aufforderung an Landrat und die Bürgermeister , sich im Landkreistag und Städtetag dafür stark zu machen, Druck auf die Landesregierung auszuüben, mehr Stellen bei den Finanzämtern für eine viel schlagkräftiger auszustattende Steuerverwaltung auszuweisen.

 

 

 

Antrag zur Haushaltsberatung 2017

 

Sozialticket in der Region  / im Landkreis

 

DIELINKE beantragt:

 

  • Der Kreistag fordert den Landrat auf, im Aufsichtsrat des VVS die Erstellung eines Konzeptes für ein VVS-weites Sozialticket zu beantragen. Das Sozialticket soll für alle Bezieher von Leistungen nach SGB II, SGB XII, WoGG und AsylbLG gelten. Als Basispreis ist der Leistungsanteil für Verkehr im Regelbedarf nach Regelbedarf-Ermittlungsgesetz -RBEG- für Bezieher von Leistungen nach SGB II anzustreben.

 

  • Bei der Konzepterstellung ist insbesondere ein Modell zu erarbeiten, das eine Abmangelfinanzierung durch die Aufgabenträger für die Verkehrsunternehmen bzw. den VVS in Höhe der ermittelten Umsteigerverluste zum Tag der Einführung vorsieht und zusätzliche Einnahmen durch Neukundengewinnung nach Einführung anteilig zwischen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen bzw. VVS aufteilt.

 

  • Anhand des erstellten Konzeptes sollen die voraussichtlichen Kosten ermittelt werden und im Aufsichtsrat des VVS sowie den beteiligten Gebietskörperschaften Landkreise, Stadt Stuttgart und Verband Region Stuttgart vorgestellt werden.

 

  • Dabei sind die Erfahrungen des Stuttgarter Modells mit zu berücksichtigen.

 

  • Bis zur Erstellung dieses Konzeptes für ein VVS-weites Soziialticket beantragen wir als ersten Schritt die Einführung eines Sozilatickets für den Landkreis Böblingen (identisch zum Antrag der  SPD-Kreistagsfraktion im Juli 2015).

 

 

Begründung:

 

In der Region leben ca. 180.000 Menschen, die Leistungen nach SGB II, SGB XII, WoGG oder AsylbLG beziehen. Diese Menschen sind in ihrer Mobilität aus finanziellen Gründen deutlich eingeschränkt und können oft die VVS-Preise nicht bezahlen. Für nicht-Erwerbstätige Menschen ist dies auch statistisch belegt durch die regionale Mobilitätsstudie von 2010. In keinem anderen in dieser Studie ausgewerteten Personenkreis  ist der Nutzungsgrad des ÖPNV mit 4,9% der Wege derart gering wie bei den Nicht-Erwerbstätigen.

Mobilität ist aber in einer modernen Gesellschaft Voraussetzung für die diskriminierungsfreie Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Dabei hört die Teilhabe nicht an Kreis- oder Gemeindegrenzen auf. Familien verteilen sich innerhalb der ganzen Region, viele kulturelle Ziele sind konzentriert in wenigen Orten und auch politisches Engagement erfordert oft längere Wege.

Ein Sozialticket ist aber nicht nur einfach eine Sozialleistung, die von den Sozialhilfeträgern je nach Kassenlage gewährt werden kann oder nicht. Menschen mit geringem oder aber ohne Erwerbseinkommen haben genauso einen Anspruch auf spezielle VVS-Tarife wie z. B. auch Senioren oder Studenten.

Die im Antrag besonders betonte stichtagsorientierte Abmangelfinanzierung   bietet den Vorteil, daß eine verläßliche finanzielle Belastung der Aufgabenträger ermittelt werden kann, die bei wachsenden Nutzerzahlen nicht wie bei anderen Finanzierungsmodellen zu unkalkulierbar steigenden Kosten führt.

Vielmehr führt bei dieser Finanzierungsform eine steigende Zahl von Nutzern – also die Gewinnung von Neukunden – zu einer Reduzierung der öffentlichen Mittel.

DIE LINKE ist überzeugt, daß sich bei diesem Modell die tatsächlichen Kosten weit unterhalb bisheriger Kostenschätzungen bewegen werden und die Aussicht besteht, daß sich dieses Modell – wie zB beim „KölnPass“ – weitgehend selbst tragen kann.

Auch der VVS und die Nahverkehrsunternehmen in der Region profitieren mittel- und langfristig von einem attraktiven Sozialticket, da davon auszugehen ist, daß einmal  für den ÖPNV gewonnene Kunden auch in erheblicher Zahl den ÖPNV weiter nutzen werden, wenn sie durch eine erhebliche Verbesserung ihrer Einkommensverhältnisse nicht mehr zum Bezug eines Sozialticket berechtigt sind.

 


Hinterlasse einen Kommentar

Trackbacks/Pingbacks