Kommunale Daseinsvorsorge schützen und nicht durch das Freihandelsabkommen TTIP gefährden

19. Februar 2015  Allgemein, Antrag, Kreistage, TTIP

Die Zählgemeinschaft von ödp und DIE LINKE im Kreistag des Rems-Murr-Kreis hat gemeinsam mit der Grünen-Fraktion einen Antrag zum Freihandelsabkommen TTIP gestellt. Er wird hier dokumentiert:

Sehr geehrter Herr Landrat,

die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und die Zählgemeinschaft DIE LINKE/ÖDP stellen folgenden Antrag:

Kommunale Daseinsvorsorge schützen und nicht durch das Freihandelsabkommen TTIP gefährden.

Derzeit wird von der EU-Kommission eine „Transatlantische Handels-und Investitions-partnerschaft“ (TTIP) zwischen den USA und der EU verhandelt. Ziel des Abkommens ist die weitere umfassende Deregulierung und Liberalisierung von Handelsbeziehungen und Dienst-leistungen.

Die Unterzeichnung dieses Abkommens wird erhebliche Konsequenzen auch für die Kommunen und ihre Aktivitäten im Rahmen der Daseinsvorsorge beinhalten. Die dort bisher noch fest-geschriebenen Ausnahmeregelungen hinsichtlich des öffentlichen Versorgungsbereichs und der Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Finanzen, Verkehr oder Leiharbeit sollen offenbar aufgehoben werden.

Der Kreistag möge daher beschließen:

1. Die Kreisrätinnen und Kreisräte lehnen eine weitere Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels im Rahmen von TTIP ab, sofern sie negative Auswirkungen auf die öffentliche Auftragsvergabe, die Energieversorgung, den Umweltschutz sowie auf Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, wie zum Beispiel im Bereich der Bildung, Rettungsdienste, der Gesundheit, sozialen Dienstleistungen, Müllentsorgung, öffentlichem Nahverkehr und Wasserversorgung haben wird.

2. Der Kreistag des Rems-Murr-Kreises fordert, die Daseinsvorsorge und die Subsidiarität derLandkreise nicht durch ein Transatlantisches Handelsabkommen wie TTIP zu gefährden.

3. Der Landrat wird aufgefordert, über die kommunalen Spitzenverbände regelmäßig die verfügbaren Informationen einzuholen und den Kreistag über den Stand der Verhandlungen zu informieren.

4. Der Landrat und die Verwaltung werden aufgefordert, die Öffentlichkeit über die den Einrichtungen des Landkreises durch TTIP und CETA entstehenden Nachteile zu informieren.

 

Begründung:

Zurzeit laufen völlig intransparente Verhandlungenzu einem Freihandels-Abkommen (TTIP) zwischen der EU und der USA.

Innerhalb dieses Raumes sollen die Regelungen von ausländischen Investoren aus ihrem eigenen Heimatland im Partnerland gelten. Fallen die Standards im Heimatland niedriger aus, dann müssen diese im Partnerland anerkannt werden. Das Handelsabkommen scheint sich auf eine Positivliste an Vereinbarungen zu beschränken, lässt aber unbestimmte Erweiterungen seines Geltungsbereichs zu, indem offene Formulierungen wie „und weitere Bereiche“ beinhaltet sind.

Daher besteht die berechtigte Sorge der Kreisrätinnen und Kreisräte des Rems-Murr-Kreises, dass der Abbau von Handelsbarrieren wie z.B. Produkt-und Qualitätsstandards dazu führt, dass der im Inland als höherwertig eingestufte Standard ausgehöhltund das hohe Niveau der Europäischen Schutzstandards gefährdet wird (Beispiel Chlorhühnchen, Hormonfleisch und Fracking).

Der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städte-und Gemeindebund, der Verband kommunaler Unternehmen sowie einzelne Landkreise und Kommunen sehen eine direkte Betroffenheit der Landkreise, Städte und Gemeinden durch TTIP. Sie fordern kommunale Organisationsfreiheit bei der Daseinsvorsorge und setzen sich für Ausnahmen von Markt-zugangsverpflichtungen ein. Sie betonen, dass das Verhandlungsmandat auch kommunal relevante Handlungsbereiche betrifft: Die Daseinsvorsorge darf nicht unter die Räder kommen. Betroffen sind etwa das öffentliche Auftragswesen, Rettungsdienste, die Energiepolitik und der Umweltschutz und sogar die Trinkwasserversorgung.

Ein weiterer Kritikpunkt aber ist der sogenannte Investorenschutz, ein „Sonderklagerecht“ für Unternehmen. Es soll ein spezielles Investorenklagerechtgegen Staaten eingeführt werden, um gegebenenfalls Schadenersatz gegen diese durchsetzen zu können. Klagegründe sind dabei neben Wettbewerbsbeschränkungen oder Enteignungen, auch entgangene Gewinne aufgrund von Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien.

Die Klagen ausländischer Konzerne wegen entgangener Gewinnerwartungen aufgrund von inländischen Hemmnissen werden vor Schiedsgerichten verhandelt, die nicht öffentlich tagen, deren Urteile völkerrechtlich verbindlich sind und gegen die es keine Revisions-bzw. Berufungs-möglichkeiten mehr gibt. Dadurch wird ein zweites völlig intransparentes Rechtssystem geschaffen. In der Konsequenz steht zu befürchten, dass Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auch auf kommunaler Ebene künftig lieber auf Verbesserungen im Verbraucherschutz, bei Sozialstandards oder im Umweltbereich verzichten, als sich mit transnationalen Großkonzernen anzulegen. Als Beispiel wird die Klage des schwedischen Vattenfall-Konzerns genannt: Nach dem Atomausstieg klagt der Energiekonzern vor einer internationalen Schiedsstelle auf 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz.

Für eine Wachstumshoffnungvon ca. 0,5 Prozent in den nächsten 15 Jahren, das sind pro Jahr um die 0,03 Prozent, sind die Gefahren für uns im Rems-Murr-Kreis wegen der Beeinträchtigung unserer kommunalen Daseinsvorsorge und Subsidiarität nicht hinnehmbar.

Mit freundlichen Grüßen

Christel Brodersen, Dr. Astrid Fleischer

und Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Thomas Bezler, Stephan Kober für die Zählgemeinschaft DIE LINKE/ÖDP


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