Mobilität für alle – aber wie?

20. April 2015  Allgemein, Position, Umwelt, Verkehr
v.l.: Winfried Wolf, Paul Stopper, Annette Groth, Wolfgang Hoepfner

v.l.: Winfried Wolf, Paul Stopper, Annette Groth, Wolfgang Hoepfner

Unter diesem Thema stand das verkehrspolitische Forum am 11.04 in Friedrichshafen, zu dem die ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG Baden Württemberg, das FORUM LINKE KOMMUNALPOLITIK Baden-Württemberg, die VEREINGTEN VERKEHRSINITIATIVEN BODENSEE und Annette Groth, MdB (Bodenseekreis) eingeladen hatten.

Annette Groth stellte den Zusammenhang zwischen Klimawandel und kapitalistischer Produktionsweise her. Sie kritisierte – auch mit Hinweis auf das neue Buch von Naomi Klein „Kapitalismus vs. Klima“ – das  neoliberale Konzept des „Marktfundamentalismus“, das neben Privatisierung und Deregulierung für grenzenlosen Konsum und ständiges Wachstum steht. Angetrieben überwiegend von fossilen Energien begründet dieses System die Macht der fossilen Brennstoffindustrie mit den bekannten katastrophalen Folgen: Explosion der CO2-Emissionen, umweltzerstörende Energiegewinnung wie Fracking, Ölsand-Förderung, Arktis- und Tiefseebohrungen usw.

Winfried Wolf, Autor und Journalist, formulierte grundsätzliche Kritik an der auto-dominierten Mobilität am Beispiel des Güter- und Flugverkehrs. Irrationale Entwicklungen (Beispiel: Deutschland importiert heute gleich viel Tierfutter, wie es exportiert) führten zu einer Verdoppelung der Transportintensität in den letzten 20 Jahren und damit nicht nur zu steigenden Gefahren für Klima und Umwelt, sondern auch für den Menschen: Pro Jahr werden heute in der EU ca. 48.000 Menschen im Straßenverkehr getötet und 10 Mio. schwer verletzt. Mögliche Alternativen, wie die Organisation der Mobilität über die Schiene, scheitern am Widerstand der großen Automobil- und Flugverkehrsindustrie mit ihren weltweiten Expansionsstrategien. Selbst die Deutsche Bahn expandiert im Nicht-Bahn-Geschäft, wie z.B. im Flugverkehr und auf dem Fernbusmarkt. Dort konkurriert sie mit privaten Konkurrenten parallel zu eigenen, gut befahrenen Fernbahnlinien, anstatt Lücken im Regionalverkehr und in der in der Fläche zu schließen. So bleiben die Menschen an den Rändern der Metropolen, schlecht verdienende und ältere Menschen immer weiter von bezahlbaren Mobilität ausgeschlossen.

Paul Stopper, Schweizer Verkehrsexperte und Mitinitiator der BODENSEE-S-BAHN-INITIATIVE erläuterte die unterschiedlichen Prioritäten der deutschen und Schweizer Verkehrspolitik: Während in Deutschland der Trend ungebrochen zum Ausbau des Autobahnnetzes geht, setzt die Schweiz auf vermehrte Investitionen in die Eisenbahnstruktur. Gute Alternativen zur Bahn, die ihr Streckennetz immer mehr ausdünnt, ist z.B. die Bodensee-Oberschwaben-Bahn (BOB), die seit 1999 ihre Fahrgastzahlen um 400 % steigern konnte. Das Rezept: Gute Verbindung in die Fläche und Reaktivierung von Haltestellen und Strecken. Alle ähnlich erfolgreichen Projekte zeigen, dass nutzerfreundlicher Personennahverkehr machbar ist, wenn wichtige Gesichtspunkte berücksichtigt werden: Möglichst verlässliche und kurze Takte, Elektrifizierung, Ausbau einspuriger auf zweispurige Strecken, einheitliche Tarifsysteme und vereinfachte Fahrpläne. Ganz in diesem Sinn stellte Stopper das aktuelle Ziel seiner Initiative zur Bodensee-Gürtelbahn vor: Schaffung eines Fonds „Schienen-Infrastruktur-Bodensee-Nord“ und eines Tarif- und Verkehrsverbund Bodensee-Nord. Damit will die Initiative auch die Unterstützung der baden-württembergischen Landesregierung für den schnellen Ausbau der Bodensee-Gürtelbahn gewinnen.

Wolfgang Hoepfner, Verkehrspolitiker aus Stuttgart, ging in seinem Referat unter dem Titel “Unangenehme Überraschungen für Aufgabenträger“ auf die Probleme bei Ausschreibungen von ÖPNV-Projekten ein. Unter dem Schlagwort: „gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“ beschrieb der langjährige Kommunalpolitiker an Hand von aktuellen Beispielen aus Baden-Württemberg die Fallstricke, die bei ungenauen und fehlerhaften Parametern in Ausschreibungen zu Fehlentwicklungen führen und letztendlich teure Korrekturen nach sich ziehen. Besonders legte er Wert auf eindeutige und klare Vorgaben zu Bedienungsfrequenz (Takte), Linienverläufen, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Haltestellenausstattung, Barrierefreiheit und Sozialstandards für die Beschäftigten. Sein Fazit: Obwohl Qualität kostet, müssen diese Parameter fester Bestandteil jedes Vertrags sein. Sonst erlebt der Aufgabenträger – der Kreis, die Kommune – am Ende böse und vor allem wesentlich teurere Überraschungen.

Abschließend betonte Annette Groth, dass Mobilität zu den zentralen sozialen Fragen gehört, die DIE LINKE ganz oben auf die politische Tagesordnung setzen muss.

Annette Groth/Ulrich Bamann


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