Petra Braun-Seitz: Rede zum Kreishaushalt 2011

15. Dezember 2010  Finanzen & Haushalt, Kreistage, Rede

Sehr geehrter Herr Landrat Reumann,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

dieser Haushalt steht unter dem Diktat des Sparens. Wie Herr Reumann in seiner Rede zur Einbringung des Haushalts ausgeführt hat, musste bei der Haushaltsplanung eine Deckungslücke von 16 Millionen verkraftet werden.

Die Finanzlage der Städte und Gemeinden wird immer schlimmer. 2/3 betrachten sie als schlecht oder sehr schlecht. Der Städtetag rechnet für 2010 mit einem Defizit von 15 Mrd.
Die schlechte finanzielle Situation der Kommunen ist geschuldet der Finanzkrise. Den Landkreis erreicht sie ein Jahr später als die Städte und Gemeinden. Jetzt nur ein paar kurze Worte dazu, wie in unserem Land mit der Finanzkrise umgegangen wird.
Für diesen Teil der Rede wollte ich eigentlich einschlägige linke Publikationen verwenden, als ich aber kürzlich morgens den Wirtschaftsteil des Reutlinger Generalanzeigers aufschlug, dachte ich: Das ist ja gar nicht notwendig, da steht ja alles drin. Hier im GEA vom 3. Dezember wird in einem Artikel ausgeführt, dass die deutschen Banken noch nicht über dem Berg sind. Die Commerzbank, die in der Krise 18,2 Mrd. Staatshilfen bekommen hat, kann die dafür anfallenden Zinsen schon im zweiten Jahr nicht bedienen. Der Artikel daneben befasst sich mit der Schuldenkrise in Portugal, Spanien und Irland, mit den Rettungsschirmen, z. B. 85 Mrd. Nothilfe für Irland.
Unsere schwarz-gelbe Regierung steckt also Milliarden in Rettungsschirme für marode Banken, die Milliarden fehlen dann anderswo, z. B. in den Kommunen.
Der Artikel darunter, Überschrift: Millionenzuschlag für Bosse. Siemens-Chef Peter Löscher verdient dieses Jahr 10 Mio. Weiter wird berichtet, dass die Schere zwischen den Einkommen aus Löhnen sowie aus Gewinnen und Kapitalerträgen in Deutschland weiter auseinandergeht.
Auch im aktuellen Finanzplan unserer Bundesregierung wird davon ausgegangen, dass die Umverteilung von unten nach oben munter weitergeht: es wird angenommen, dass Einkommen von Reichen und Unternehmern um 4.5% pro Jahr steigen, die der Beschäftigten dagegen nur um 2%. Das heißt nach Abzug der Preissteigerung: weiterhin kommt praktisch nichts dazu.
Gerecht geht anders!
Das zeigt ganz deutlich, auf wessen Rücken der Ausweg aus der Krise gesucht wurde. Die satten Unternehmergewinne, die für dieses Jahr wieder erwartet werden, machen deutlich, dass in unserem Land genug Vermögen da ist, dass es nur falsch verteilt ist.

Eine andere Meldung der letzten Tage belegt dies: den Tafelläden in Baden-Württemberg geht der Nachschub aus. Immer mehr bedürftige Menschen kommen und die Konkurrenz um Spenden wächst. Auch die Weihnachtsspendenaktionen wie z. B. die Aktion „Sternenfunkeln in Kinderaugen“ machen deutlich, dass die Armut in unserem Land, auch hier in Reutlingen, zunimmt.

Im Landkreis Reutlingen sind wir mit steigenden Fallzahlen im Sozialhaushalt konfrontiert. Die Auswirkungen der Konjunkturkrise auf unseren Sozialhaushalt dauerten 2010 noch an, so gab es 2010 mehr Arbeitslose und Arbeitssuchende als im Vorjahr. Im September 2010 waren es zusammen 7 % mehr als im September 2009. Sehr bedauerlich ist, dass der Anteil der Alleinerziehenden an diesem Personenkreis 14.4% beträgt, der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund sogar 32,2%. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften im Landkreis ist 2009 um 16% gestiegen, 2010 dann nochmal um ca. 11%. Gerade der Anstieg der Bedarfsgemeinschaften zeigt, dass der „Aufschwung“, die konjunkturelle Erholung sich nicht zugunsten der Arbeitnehmer auswirkt. Wir haben eine ständige Zunahme von Billiglöhnen, Teilzeitjobs und Leiharbeit. Wenn mehr Menschen in Lohn und Brot kommen, ist es oft Arbeit, von der niemand, schon gar nicht eine Familie leben kann. Und wir als Landkreis haben mit den Folgen zu kämpfen.

Die Fallzahlen für Menschen mit Behinderungen nehmen ebenfalls zu: auffällig ist, dass viel mehr Menschen mit seelischen Behinderungen Hilfe benötigen.
Beim Haushaltsentwurf wird davon ausgegangen, dass im Sozialetat 2 Mio eingespart werden können. Gespart werden soll in der Jugendhilfe 1 Mio, z. B. bei der sozialpädagogischen Familienhilfe, bei Erziehungsbeistandschaften, bei Hilfen für junge Volljährige. Die zweite Million Einsparungen soll bei der Grundsicherung und bei der Eingliederungshilfe erzielt werden.
Schon bei den bisherigen Beratungen waren wir Linke skeptisch, ob diese Einsparungen tatsächlich bei steigenden Fallzahlen erzielt werden können. Stehen doch hinter diesen Leistungen Menschen, Kinder, Jugendliche, Familien, die Hilfe benötigen. Es wird immer der Grundsatz hochgehalten: ambulant vor stationär. Ich habe aber höchsten Respekt vor den Mitarbeitern des Kreisjugendamts, ich kann mir nicht vorstellen, dass Kinder und Jugendliche ohne schwerwiegende Gründe aus der Familie herausgenommen und anderweitig untergebracht werden.
Nicht akzeptieren können wir die Ablehnung einiger Zuschussanträge im Sozialhaushalt bei den Vorberatungen, so z. B. die Zuschüsse für Stadtranderholungen und der Zuschussantrag des Vereins Arbeiterbildung. Immerhin erhält der Landkreis, wie letzte Woche zu erfahren war, jetzt 7 Mio mehr für den Neubau der Bettenhäuser des Kreisklinikums Reutlingen. Da müssten doch Zuschüsse in dieser Größenordnung von 50.000 € drin sein!
Wenn kein Geld für Stadtranderholungen und Beratung für Arbeitslose da ist, bedeutet das, dass die Schwächsten und Ärmsten unserer Gesellschaft, also Kinder, Familien, Arbeitslose die Zeche für die Wirtschaftskrise bezahlen müssen!!

Zum Schluss noch ein Zitat von Bertolt Brecht:
Reicher Mann und armer Mann
Standen da und sah’n sich an.
Da sagt der Arme bleich:
Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.
Wenn schon Sparhaushalt, dann sozial ausgewogen. Ob wir Linke diesem Haushalt zustimmen können, wird von den heutigen Beratungen abhängen.

Jetzt wünsche ich Ihnen allen noch ein schönes Weihnachtsfest mit Ihren Familien.


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