WOHNEN – INTEGRATIV UND SOLIDARISCH

30. April 2013  Allgemein, Antrag, Gemeinderäte, Wohnen

Sicherung und Vermehrung bezahlbaren Wohnraums in der Gesamtstadt

Antrag zur Sitzung des Gemeinderates am 30.04.2013

Nach intensiver Vorbereitung im Kommunalausschuss der LINKEN reichte Stadtrat Thomas Trüper nun einen wohnungspolitischen Antrag ein, in dem es um die Sicherung und Vermehrung von bezahlbaren Wohnungen für breite Schichten der Gesellschaft in Mannheim geht. Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Der Gemeinderat beschließt:

Die Stadt Mannheim setzt sich das Ziel, jährlich 400 zusätzliche Mietwohnungen mit Belegungs- und Mietbindung im unteren Preissegment bis 6,00 EUR/m² neu auszuweisen. Die Wohnungen sollen über die gesamte Stadt verteilt sein. Die Zielgruppe sind breite Schichten der Bevölkerung.

In dem Kontingent sollen sowohl Neubauwohnungen als auch umfassend sanierte Wohnungen enthalten sein. Die Stadt arbeitet hierbei mit genossenschaftlichen und privaten Bauträgern zusammen und bezieht die GBG in diese Umsetzung mit ein.

Die Verwaltung zeigt dem Gemeinderat Wege auf, wie dieses Ziel zu erreichen ist.

Zur Konkretisierung ergeben sich daraus folgende Arbeitsaufträge an die Verwaltung:

1.

Die Verwaltung informiert den Gemeinderat über alle Fördermittel und -wege, die gegenwärtig für Soziale Wohnraum-, insbesondere Mietraumförderung zur Verfügung stehen. Sie informiert darüber, wie viele Zuschüsse bzw. zinssubventionierte Finanzierungsmittel davon in den letzten drei Jahren in der Stadt von GBG, Genossenschaften und privaten Bauträgern abgerufen wurden.

2.

Die Verwaltung legt dem Gemeinderat dar, ob und wie öffentliche Belegungsrechte zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an preisgünstigem Wohnraum von privaten Hauseigentümern und Wohnungsunternehmen erworben werden können.

3.

Die Verwaltung legt dar, ob die Möglichkeit besteht, über städtische Satzungen die Bauherren zu verpflichten, bei Errichtung von Mehrfamilienhäusern eine bestimmte Quote öffentlich geförderten Mietwohnraums bereitzustellen im Sinne von „mixed-income-housing“.

4.

Die Verwaltung legt dar, ob und wie unabhängig vom Landeswohnraumförderungsprogramm im Zuge von Ausschreibungen größerer Wohnungsbau-Investitionen auf städtischen Grundstücken Auflagen gemacht werden können bzw. wie im Rahmen städtebaulicher Verträge mit Privatinvestoren Quoten von beispielsweise 20% für die Errichtung preisgünstigen Wohnraums mit langfristiger Miet- und Belegungsbindung festgelegt werden können. (Finanzierung über Kaufpreisnachlässe für Investoren bzw. durch Quersubventionierung innerhalb der Investments), dies insbesondere hinsichtlich von Flächen wie T4/T5 und den Konversionsflächen.

5.

Die Verwaltung legt dar, wie Stadtteile mit gemischter Wohnstruktur z.B. durch Milieuschutzsatzungen vor „Luxussanierungen“ geschützt und Mieter vor der Vertreibung durch rasant steigende Mieten bewahrt werden können.

6.

Die Verwaltung popularisiert und unterstützt die Bildung von Wohnungsgenossenschaften – auch solcher, die den Aufkauf von Bestandsmietwohnungen privater Eigentümer bezwecken, um sie für preisgünstiges Wohnen nachhaltig zu sichern.

Die Stadt Mannheim unterstützt einkommensschwache Interessenten beim Eintritt in eine Wohnungsgenossenschaft durch Kleindarlehen für den Erwerb der erforderlichen Genossenschaftsanteile.

Die Stadt Mannheim tritt gegenüber der Landesregierung dafür ein, dass auch kleine Genossenschaften oder vergleichbare solidarische Bauherrengemeinschaften Sozialwohnungen unterhalb der bisher praktizierten Mindestanforderung von zehn Wohneinheiten errichten können.

7.

Die Verwaltung legt eine strategische Planung vor zur deutlichen Erhöhung der Anzahl preisgünstiger barrierefreier und barrierearmer Mietwohnungen.

 

Begründung:

In Mannheim besteht für „bezahlbaren Wohnraum“ Nachholbedarf: „Im untersten Preissegment mit bis zu 5,50 EUR/qm und Monat ist die Nachfrage als sehr hoch einzustufen. Auch im unteren Segment bis 6,00 EUR/qm sowie bis zum Medianwert von 6,70 EUR/qm ist noch eine hohe Nachfrage vorhanden.“

(I 609/2013 InWIS Wohnungsnachfrageprognose Mannheim)

(aaO.)

Der Mietspiegel-Durchschnittspreis von aktuell 6,24 EUR/m² für Mannheim darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass im freien Mietwohnungsmarkt lt. Immobilienscout24 der Durchschnittspreis bei Neuvermietungen etwa 8,40 EUR beträgt. Da jährlich tausende Haushalte umziehen müssen, liegt die Realität für die Wohnungssuchenden eher bei dem letztgenannten Wert.

Betrachtet man die Verteilung der preiswerten Wohnungen auf die einzelnen Stadtteile, findet man zumindest bei der GBG eine Konzentration auf wenige sozial wie infrastrukturell benachteiligte Bezirke. Wer umziehen muss und sich Wohnungen nur im unteren Preissegment leisten kann, landet unweigerlich in diesen Stadtteilen. Das verschärft die soziale Segregation der Mannheimer Stadtgesellschaft, wie sie in der difu-Studie „Segregation, Konzentration, Polarisierung – sozialräumliche Entwicklung in deutschen Städten 2007-2009“ anhand der Kriterien Kinderarmut und Migration für Mannheim festgestellt wird. Mannheim verzeichnet in dieser statistisch basierten Studie unter 19 teilnehmenden großen Kommunen jeweils einen traurigen Spitzenplatz.

Ein wichtiger und unbedingt zu vermeidender „Nebeneffekt“ dieser Entwicklung ist die immer noch zunehmende Bildungssegregation, die der 2.Mannheimer Bildungsbericht leider feststellen muss.

Diese Segregation führt u.a. dazu, dass 41,3% aller Kinder, Jugendlichen und Jungen Erwachsenen in Mannheim in den Sozialräumen der Kategorie 4 und 5 leben und damit ein „besonders hohes Risiko der Bildungs- und Teilhabebenachteiligung“ haben (Bildungsbericht Mannheim 2013, S. 41).

Der hier beschriebene Zustand unterliegt in zweierlei Hinsicht einer verschlimmernden Dynamik:

1. Mietpreise:

Das Angebot an preisgünstigen Mietwohnungen nimmt in Mannheim tendenziell ab. Einerseits ist dies z.B. der Tatsache geschuldet, dass die GBG ein Abrissprogramm für ca. 800 Wohneinheiten angekündigt hat, die teilweise zumindest nicht mehr vermietbar sind und nicht für einen angemessenen Preis saniert werden können. Dadurch fehlen im unteren Preissegment, welches v.a. von der GBG und den Genossenschaften zur Verfügung gestellt wird, künftig eine deutlich merkliche Anzahl von Wohneinheiten, die durch Neubauten aufgrund deren Kostenmieten nicht ersetzt werden können.

Ein weiterer Faktor für die Verknappung preiswerten Wohnraums sind die (notwendigen) energetischen Sanierungen. Während z.B. die Gartenstadt Baugenossenschaft die Mehrkosten mit Hilfe ihrs guten Finanzpolsters auffängt und nicht weitergibt, während die GBG die Mehrkosten nur zu 5% weitergibt, haben die privaten Vermieter die Möglichkeit, jährlich 11% des Sanierungsaufwandes auf die Jahresmiete aufzuschlagen.

Dies wird in einem sich beschleunigenden Prozess von einzelnen Investoren z.B. in der Neckarstadt-Ost als Basis für „Luxussanierungen“ mit vollkommener Mieterverdrängung aus den betroffenen Mietshäusern genutzt.

Hinzu kommt die Tatsache, dass die Zahl der öffentlich geförderten mietpreisgebundenen Sozialwohnungen sich in den letzten 20 Jahren fast auf ein Viertel reduziert hat (ca. 4.800) mit weiterhin abnehmender Tendenz.

 

2. Nachfrage

Die Zahl der Haushalte nimmt selbst bei stagnierender Einwohnerzahl zu, weil z.B. der Trend zum Single-Haushalt anhält. Der Zustrom von Migrant/innen entzieht sich den demografischen Prognosen, da er v.a. von politischen Entwicklungen abhängig ist. Schon ab nächstem Jahr hat z.B. ein Teil der südosteuropäischen Migranten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Viele werden versuchen, in Mannheim eine Existenz aufzubauen. Die Verwaltung rechnet mit 2.000 Personen allein aus Rumänien und Bulgarien.

Der Bedarf an preisgünstigen Wohnungen nimmt auch aufgrund der Einkommensentwicklung der Mannheimer Bevölkerung zu.

Hierüber gibt es keine genauen Zahlen. Jedoch ist davon auszugehen, dass sehr viele erwerbstätige Menschen im Dienstleistungsbereich und in unsteten industriellen Beschäftigungsverhältnissen mit Quadratmeterpreisen von über 6,00 EUR (Nettokaltmiete) überfordert sind. Auch eine Zunahme der Altersarmut wird von niemandem ernsthaft bezweifelt.

Insbesondere Frauen sind von den hier benannten Entwicklungen sind aufgrund ihres generell niedrigeren Einkommensniveaus und der daraus resultierenden geringeren Renten besonders betroffen. 44% der alleinerziehenden Frauen beziehen in Mannheim Leistungen nach SGB II.

Die steigende Nachfrage nach preisgünstigen Wohnungen bei gleichzeitiger Verknappung führt erheblichen Mietkostensteigerungen bis hin zu Mietwucher.

Auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität besteht ein Manko an geeignetem Wohnraum. Dies wurde gerade jüngst von der Verwaltung bestätigt indem sie feststellt: „Der tatsächliche verfügbare barrierefreie und barrierearme Wohnraum in Mannheim ist zum jetzigen Zeitpunkt derart gering, dass er den Aufbau einer gesonderten Beratungsstelle nicht rechtfertigt.“ (Info-Vorlage V178/2013).

Abschließend sei betont, dass sich die Intention dieses Antrags nicht gegen die Zielsetzung richtet, in Mannheim mehr gehobenen Wohnraum zur Bindung und Gewinnung hochqualifizierter und gut verdienender Bevölkerungskreise bereitzustellen. Nur darf die Situation am andern Ende der Sozialskala keineswegs vernachlässigt werden.

Ein ausreichendes Angebot an bezahlbarem Wohnraum vermag auch junge Familien an Mannheim zu binden, die anderenfalls v.a. nach Rheinland-Pfalz umziehen, weil dort die Mieten niedriger und die Kitas gebührenfrei sind.

Thomas Trüper

Stadtrat


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